Die Polizei untersucht die vom "Umbruch" erhobenen Spionagevorwürfe gegen in Liechtenstein ansässige Juden


Bericht des Sicherheitskorps, gez. Wachtmeister Josef Brunhart, Ernst Kaiser, Hermann Meier, Gottfried Sele und Karl Gantner, an die Regierung [1]

26.8.1942

Spionagedienst der Juden in Liechtenstein btr. Bericht

Der Umbruch (Kampfblatt der Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein) Nr. 154 v. 11. Juli 1942 enthält einen Artikel: "Schwerwiegende Enthüllungen des Regime Fascista, Cremona – Liechtensteiner Juden im Spionagedienst". (Das Blatt liegt dem Berichte bei). [2]

Wir haben über Auftrag der fürstlichen Regierung Erhebungen durchgeführt und in erster Linie den Redakteur des Umbruch, Ing. Martin Hilti in Schaan befragt und aufgefordert, Unterlagen für die Stichhältigkeit der Angaben in diesem Artikel bzw. der Polizei verwertbare Anhaltspunkte zur Überweisung von solchen Personen zu geben.

Ing. Hilti wurde am 20.7.1942 durch Schtzm. Meier über die wichtigsten in Frage stehenden Punkte des Umbruchs bzgl. der Judenspionage befragt, sowie auch über die Sammlung von Eiercoupons usw. Hilti machte aber keine Angaben und erklärte, er werde, wenn man in dieser Sache etwas tun wolle, bis in 14 Tagen alle Unterlagen beschaffen, die für die Überweisung dienlich seien. Er behauptete, dass der Jude [Paul] Wollenberger und [Ferdinand] Lauchheimer, beide wohnhaft in Schaan, diejenigen seien, die die Eisenbahnwaggons und deren Inhalt notierten. Hilti sagte auch, dass ein Jude aus Vaduz in vergangener Zeit regelmässig dem Londoner-Sender den Stoff für die deutschen Nachrichten gesandt habe. (Hilti nannte aber damals den Namen dieses Mannes nicht). Er erklärte nebenbei, dass die Polizei nur mal drei Tage den Wollenberger beaufsichtigen solle.

Im Verlauf dieser Erhebungen wurde auch erfahren, dass Wollenberger dem Briefträger, wenn er auf der Tour sei, immer auf dem Wagen die Paketadressen ablese. Hiezu erklärte auf Befragen der Briefträger Edi Walser: "Auf der Tour hat das Wollenberger nicht gemacht, zumindest nicht der Rede wert. Das haben wohl schon auch andere Leute versucht, welchen ich es aber immer sofort abstellte. – Hingegen ist richtig, dass Wollenberger vor zirka zwei Monaten noch wöchentlich ein-, zwei-, dreimal zur Hintertür bei der Post kam, wo wir die Post auf den Karren verladen haben und hierbei immer wunderte. Da habe ich einmal laut, für Wollenberger gut vernehmlich, zu meinem Bruder, der mir half, gesagt: Wenn dieser (Wollenberger) jetzt noch mal herkommt, dann hau ich ihm eine herunter, dass es ihm vergeht. Von da weg ist er nie wieder gekommen."

In Bezug auf Bahnhof Schaan haben wir den Bahnhofvorstand Herrn [Rudolf] Niederwieser befragt: Dieser erklärte: "Vor zwei oder drei Monaten kam Wollenberger allwöchentlich zum Bahnhof. Er ging vor demselben, hinter demselben herum und war auch im Wartezimmer. Er fuhr nie mit einem Zug weg, obwohl er sich so benahm, als würde er dies wollen. Er schaute etwa zum Fahrplan usw. Etwas aufschreiben, oder dass ich ihn zählen von Waggons oder den Inhalt derselben notieren gesehen hätte, könnte ich nicht sagen. Weiter ist mir nichts aufgefallen. Jetzt ist es aber schon zwei oder drei Monate nicht mehr vorgekommen.

Den Lauchheimer habe ich nie gesehen. Er kommt nur jetzt täglich am Morgen jeweils hinter dem Bahngebäude her. Er geht, soviel ich annehme, diesen Weg zur Arbeit. (Lauchheimer wohnt in der sog. Specki in Schaan und arbeitet in der Spielwarenfabrik in der Zollstrasse)."

Niederwieser wie auch Hilti haben bemerkt, dass Wollenberger täglich nach Buchs gehe. Dem Bahnhofvorstand Niederwieser habe dies der deutsche Zollbeamte namens Hotz in Buchs gesagt.

Am 22. August 1942 wurde Hilti durch Schtzm. Meier um die versprochenen Unterlagen angefordert.

Hilti gab an: "Die Sache wegen der Eiercouponsammlung habe ich hergerichtet, im Augenblick aber ist sie nicht da. Ich werde sie der Polizei per Post zusenden.

Den Namen dieses Juden in Vaduz, von dem ich das letztemal gesagt habe, kann ich nun nennen. Es ist [Moritz] Grünthal. Dieser hat Nachrichten an die Sender "Boston" und "London" gesandt. Den Brief, den ich glaubte beschaffen zu können, welcher solche Nachrichten enthielt, habe ich bis nun noch nicht erhalten können. Es handelt sich um einen Brief von einigen Seiten. Wenn es mir möglich wird, denselben zu beschaffen, werde ich ihn zur Verfügung stellen. Wir wissen aber bestimmt, dass es so ist und was die Juden überhaupt treiben. Wollenberger, Lauchheimer, Grünthal und --- [Paul] Ottenstein in Schaan scheint in dieser Sache auch nicht ganz sauber zu sein.

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Auf den Einwand, dass die Polizei zur Überweisung eines Täters Tatsachen brauche und dass mit seinen Angaben in Ermangelung wirklich verwertbarer Unterlagen eigentlich nicht viel anzufangen sei, erklärte Hilti: "Wir wissen das und es ist schliesslich Sache der Polizei, den Beweis zu erbringen und nicht unsere. Die Polizei soll die Leute mal 14 Tage beobachten. Hausdurchsuchungen würden bestimmt etwas zu Tage fördern."

Auf den neuerlichen Einwand, dass auch Hausdurchsuchungen Begründung brauchten, bemerkte er, solche sind genügend da und man hat bei uns auch schon, ohne diese, solche vorgenommen.

"Bezüglich der Beobachtung der deutschen Reichsbahn durch Juden haben wir dies der italienischen Zeitung entnommen. An dem wird doch nicht gezweifelt werden, dass das diese Zeitung geschrieben hat."

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Die Angaben Hiltis sind gering. Präzise Unterlagen, präzise Anhaltspunkte hat er keine gegeben.

Den Paul Wollenberger werden wir noch befragen und Ergebnis diesem Berichte nachtragen. [3]

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[1] LI LA V 005/1942/1037 (a).
[2] Umbruch, Nr. 154, 11.7.1942, S. 1 ("Liechtensteiner Juden im Spionagegedienst"). Die Beilage liegt nicht im Akt.
[3] LI LA V 005/1942/1037, Bericht des Sicherheitskorps an die Regierung, 16.9.1942.