Fürstin Elsa ermahnt die Anbeterinnen des Kostbaren Blutes, die Arbeiten am Klosterneubau nicht ins Ausland zu vergeben


Schreiben von Fürstin Elsa an Paulina Schneeberger, Oberin der Anbeterinnen des Kostbaren Blutes (Abschrift) [1]

30.1.1935, Jagdhaus Thalhof am Semmering

Ehrwürdige Schwester Oberin!

Gestern habe ich zu meinem grossen Betrübnis erfahren, dass Ihr schöner Bau von ausländischen Arbeitern ausgeführt wird. [2] Ich kann es gar nicht fassen, dass in einer Zeit, wo es leider auch in unserem geliebten Lande so viele Arbeitslose gibt, Ausländer da vorgezogen werden. Das Kloster soll in Liechtenstein stehen und viele Erleichterungen werden natürlich den ehrwürdigen Schwestern dadurch geboten. Ich wurde gebeten, Protektorin des Institutes zu sein und nun höre ich diese mir fast unfassliche Nachricht. Wie ich mit dem Fürsten [Franz I.] im Sommer den Bau besucht habe, haben wir denselben bewundert und bemerkt: "wieviel Segen wird derselbe auch jetzt schon bringen". Den vielen lieben Landeskindern, die das Glück haben werden, dort Arbeit zu finden, eine Zeit relativer Sorglosigkeit.

Ehrwürdige Schwester Oberin. Als Landesmutter dieses von uns unendlich geliebten Landes muss ich Ihnen sagen, dass ich ganz bestimmt das Protektorat nie übernommen hätte, wenn ich geahnt hätte, dass der Bau von Ausländern ausgeführt werden soll. Ich kann mir nur vorstellen, dass Euer Ehrwürden da von Menschen, die heucheln unegoistisch zu handeln, irre geführt werden. Denn da ich die Freud hatte, Euer Ehrwürden kennen zu lernen, kann ich nicht denken, dass diese Ungerechtigkeit unseren lieben Liechtensteinern gegenüber von einer in jeder Beziehung als Charakter und Güte hochstehenden ehrwürdigen Schwester ausgehen kann. Meine Bitte geht dahin, dass Euer Ehrwürden unsere Landeskinder bei dem Bau beschäftigen wollen. [3]

Mit ehrerbietigsten Grüssen

Euer Ehrwürden treu ergeben

 

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[1] LI LA RF 152/117/007.
[2] Die Fürstin wurde wohl von der Regierung informiert. Regierungschef Josef Hoop dankte der Fürstin jedenfalls für ihr Schreiben. Dieses werde, so Hoop, "seine Wirkung nicht verfehlen" und "die Schwestern am ehesten vor Rückfällen bewahren" (LI LA RF 152/117/011).
[3] Paulina Schneeberger rechtfertigte die Auftragsvergabe beim Klosterbau umgehend, vgl. LI LA RF 152/117/012a.