Das "Liechtensteiner Volksblatt" berichtet über den Prozess gegen die Putschisten (I)


Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]

17.1.1946

Bericht aus dem Hochverratsprozess

infolge der Ereignisse vom 24. März 1939

1. Verhandlungstag

Als Angeklagte erschienen: 

  1. Alois Batliner, Maurer, wohnhaft in Eschen, Nr. 84.
  2. Franz Beck, Reichsbahnangestellter, wohnhaft in Schaan, Nr. 68.
  3. Josef Frick, Malermeister, wohnhaft in Schaan, Nr. 268.
  4. Josef Wohlwend, Schreiner, wohnhaft in Nendeln, Nr. 51.
  5. Egon Marxer, Fabrikarbeiter, wohnhaft in Nendeln, Nr. 53.
  6. Engelbert Thöni [Thöny], Elektriker, wohnhaft in Schaan, Nr. 62.
  7. Alois Schädler, Maurer, wohnhaft in Triesenberg, Nr. 116.
  8. Alois Wille, Zimmermann, wohnhaft in Vaduz, Nr. 340.
  9. Alois Kindle, Hafner, wohnhaft in Triesen, Nr. 211.
  10. Hermann Marxer, Angestellter, wohnhaft in Triesen, Nr. 225.
  11. Josef Gassner, Ingenieur, wohnhaft in Triesen, Nr. 257, und
  12. Ferdinand Beck, Mechaniker, wohnhaft in Triesen, Nr. 212.

Nach dem Appell der Angeklagten durch den Gerichtspräsidenten, Herrn Dr. [Armin] Wechner aus Feldkirch, schilderte dieser in kurzen Zügen den  

Tatbestand,

aus dem hier aus der Vorlesung der Anklageschrift folgendes in Kürze festgehalten sei:

Seit März 1938 bestand im Fürstentum Liechtenstein eine politische Organisation unter dem Namen: Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein (V.D.B.L.), ähnlich organisiert wie die NSDAP in Deutschland. Es gibt einen Landesleiter, Bezirks- und Ortsgruppenleiter, ferner sind auch in einigen Ortschaften Gruppen der HJ und des BDM gebildet worden. Ideengut und politisches Programm der VDBL sind weitgehend dem Nationalsozialismus entnommen. Es bestehen auch persönliche Beziehungen der leitenden Parteimitglieder zu Reichdeutschen Stellen und Persönlichkeiten. Die Grussformel unter den Mitgliedern lautet: Heil Hitler; die Form des Grusses ist das Erheben der rechten Hand.

Im weiteren streifte der Herr Vorsitzende kurz die Stellung einiger Prominenter der damaligen VDBL, so u. a. Hubert Hoch aus Triesen, aus dessen beschlagnahmter Korrespondenz der intensive Wunsch ersichtlich ist, das Fürstentum Liechtenstein mit der deutschen Nation "Zu einem einzigen grossen Vaterlande zusammengeschmiedet" zu sehen. [2] Hoch war schon lange vom Anschluss begeistert und hat bereits im Jahre 1932 in Wien mit [Theodor] Habicht verhandelt, später war er der erste, der mit dem Feldkirchner SA-Führer [Ludwig] Seebacher die Verbindung aufnahm. Durch Hoch ist dann auch der Landesleiter der VDBL, Ing. [Theodor] Schädler, mit Seebacher in Fühlung gekommen.

Die bei Ing. Schädler gefundene Korrespondenz bestätigte dieselbe Tendenz (des Anschlusses, wie bei Hoch). U. a wurden hier auch die Statuten des VDBL [3] und das Programm derselben [4] gefunden. Erstere nennen als Zweck "Das Bekenntnis zum Deutschen Volkstum", das zweite fordert:

a) einen wirtschaftlichen Anschluss an Grossdeutschland;

b) die Angleichung der politischen-, wirtschaftlichen-, sozialen-, weltanschaulichen- und kulturellen Gesetzgebung Liechtensteins an diejenige Grossdeutschlands. Ferner erklärt das Programm: "Die Übernahme der deutschen Währung ergibt sich von selbst."

Nun wurden noch einige persönliche Äusserungen von Mitgliedern der VDBL erwähnt, die über den Zweck der Partei weiteren Aufschluss gaben. Das Ziel dieser Äusserungen ist immer wieder eine Vereinigung mit Grossdeutschland, teils durch Zollanschluss, teils durch Einverleibung.

Die Ereignisse vom 22., 23. und 24. März 1939

bildeten den Stoff der weiteren Ausführungen. So trafen sich am Mittwoch, den 22. März 1939, abends Louis Batliner und Walter Wohlwend bei letzterem in Nendeln. Sie sprachen über die Möglichkeit, etwas zu unternehmen und entschlossen sich, noch am gleichen Abend mit dem Landesleiter der VDBL, Ing. Schädler, sich in Verbindung zu setzen. Sie begaben sich nach Schaanwald, telefonierten von dort dem Landesleiter, der dann gegen ½ 10 Uhr dem telephonischen Anrufe Walter Wohlwends Folge leistete, Schädler hatte schon am Nachmittag von Feldkirch einen Zettel mit der Aufforderung zur Unruhestiftung erhalten, will aber nicht darauf eingegangen sein. Laut weiteren Aussagen Ing. Schädlers habe besonders Wohlwend auf ihn eingeredet und gedrängt, dass man etwas unternehme. [5] Es lasse sich noch in der gleichen Nacht etwas machen, und wenn man es gut organisiere, so bekomme man Hilfe vom Reich. Schädler verhielt sich (immer nach seinen Angaben) ablehnend, sagte, es sei zu spät und er glaube nicht an ausländische Hilfe. Es wurde schliesslich abgemacht, dass auf den folgenden Tag überall Versammlungen einberufen und etwas vorbereitet werden sollte. 

Donnerstag, den 23. März 1939, wurden tatsächlich Versammlungen angeordnet, sowohl in Nendeln als auch in Triesen. Landesleiter Schädler traf sich in Feldkirch mit SA-Führer Seebacher, scheint aber von dieser Besprechung nicht befriedigt gewesen zu sein. Er kehrte zurück und kam mit Wohlwend überein, die auf den Abend angesagten Versammlungen auf Freitagabend zu verschieben. Er sandte Alois Wille nach Triesenberg, um dorthin Bescheid zu überbringen und unterliessen es dann die Triesnerberger, sich zur Versammlung nach Triesen zu begeben. Indessen waren bei Hubert Hoch bereits ca. 20 bis 30 Triesner zusammengekommen, denen er erklärt hatte, es werde heute (Donnerstag) Abend etwas geben, dass die Deutschen in Feldkirch zum Abmarsch bereit stünden, und wenn einer nicht zu allem bereit sei, so solle er lieber wieder gehen.

Ing. Schädler fuhr dann in Begleitung von Josef Frick, Malermeister in Schaan, Gustav Matt und Alois Wille nach Triesen, wo er den Leuten mitteilte, dass diesen Abend nichts geschehe. Er ermunterte die Leute, fest zusammenzuhalten, die Zeit sei ernst, usw., und man werde, sie wieder verständigen, wenn etwas los ist.

Ebenfalls Donnerstag Abend fand in Nendeln eine Versammlung statt, geleitet von Bezirksleiter Alois Batliner.

Am Freitag, den 24. März, abends 6 Uhr, habe bei Walter Wohlwend in Nendeln eine "entscheidende Besprechung" stattgefunden zwischen Ing. Schädler, Walter Wohlwend, Josef Wohlwend, Gustav Matt und Adolf Oehry [Öhri]. In deren Verlauf habe Ing. Schädler schliesslich eingewilligt, noch am gleichen Abend etwas zu organisieren. Über Auftrag Ing. Schädlers fuhr Gustav Matt mit Egon Marxer zu Alois Schädler nach Triesenberg. Aus Zeugenaussagen müsse angenommen werden, dass diese beide zu Alois Schädler sagten, [Adolf] Hitler werde diese Nacht in Liechtenstein einmarschieren. Von dort fuhren die beiden nach Triesen zu Hubert Hoch. Gustav Matt trug an diesem Abend die SA Uniform. – In Nendeln schaltete sich nun auch Franz Beck ein, der schon länger eifriges Mitglied des V. B. L. und Stellvertreter des Landesleiters war. Er verabschiedete sich von seinen Dienstvorgesetzten mit der Bemerkung, "vielleicht sind wir morgen auch Schwaben". Inzwischen war die Tätigkeit dieser Leute in der Bevölkerung bekannt geworden. Regierungschefstellvertreter Dr. Alois Vogt holte Erkundigungen ein und setzte Freitag Nachmittag das Regierungskollegium in Kenntnis. Er traf Vorkehrungen und lud Ing. Schädler zu einer Besprechung, zu der dieser mit Franz Beck und Josef Frick erschien. Dr. Vogt machte ihnen Vorhalte. Sie waren sehr zurückhaltend, man musste aber annehmen, dass etwas im Tun sei. Auf die Frage, ob Gewalt angewendet werden wolle, erhielt Dr. Vogt keine verneinende Antwort. Dr. Vogt habe seine Besucher ausdrücklich gewarnt. Ing. Schädler scheint nach dieser Besprechung die Ansicht gehabt zu haben, dass die Sache gescheitert sei. Nach Besprechung mit H. Hoch in Triesen begaben sie sich nach Schaan, wo in das Haus des Josef Frick eine Versammlung einberufen war. Im "Löwen" in Nendeln hatten sich 30-40 Mann versammelt. Dorthin kamen die drei dann auch von Schaan weg. Sie erfuhren dann, dass das Frick'sche Haus umlagert sei. Erwiesen scheine, dass in diesem Augenblick der Plan zu einem Aufmarsch von Nendeln nach Schaan bestanden hat. Der Bevölkerung von Schaan hatte sich eine grosse Erregung bemächtigt. Die Regierungsmitglieder hatten inzwischen von den Vorgängen erfahren und H.H. [Hochwürdiger Herr] Landtagspräsident [Anton] Frommelt begab sich nach Schaan, wo ihm u. a. Josef Frick sagte, dass sie nach Vaduz marschieren und den Anschluss verlangen wollen. Die folgenden Ereignisse sind noch in lebhafter Erinnerung, so dass wir sie hier einstweilen glauben übergehen zu sollen. - Nach der Anklageschrift [6] lautet die Anklage auf Hochverrat, eventuell Störung der öffentlichen Ruhe, eventuell Aufstand gegen: 

Theodor Schädler, Elektroing., aus Triesenb.;
Alois Batliner, Maurer und Landwirt, aus Eschen;
Franz Beck, Bahnangestellter, aus Schaan;
Josef Frick, Malermeister, aus Schaan;
Gustav Matt, Schneider, aus Mauren;
Walter Wohlwend, Maler, aus Nendeln;
Hubert Hoch, Beamter, aus Triesen (gegen diesen auch wegen Übertretung des Waffengesetzes);
August Müssner, ohne Beruf, aus Nendeln;

Dann wegen Beteiligung an hochverräterischen Unternehmungen eventuell wegen Aufstand gegen:

Josef Wohlwend, Schreiner aus Nendeln. 

Wegen Beteiligung an hochverräterischen Unternehmungen und Mitschuld am Hochverrate gegen:

Egon Marxer, Aushilfsbriefträger, aus Nendeln;
Engelbert Thöny, Elektriker, aus Vaduz;
Alois Wille, Zimmermann, aus Vaduz, und
Alois Schädler, Landwirt, aus Triesenberg.

Wegen Aufstand und Einschränkung der persönlichen Freiheit gegen:

Alois Kindle, Hafner, aus Triesen;
Hermann Marxer, Kaufmann, aus Ruggell;
Ferdinand Beck, Hilfsarbeiter, Triesen, und
Josef Gassner, Triesen,

(gegen die 3 letzteren auch wegen Übertretung des Waffengesetzes).

Gegen Otto Frick, Balzers, Hilfsarbeiter, wegen Übertretung des Waffengesetzes.

Gegen Adolf Oehri, Versicherungsagent, in Mauren, wegen Beteiligung an hochverräterischen Unternehmungen, eventuell wegen Aufstand.  

Gegen Gustav Matt, in Mauren, und August Müssner, in Nendeln, auch wegen Zuwiderhandlung gegen die Verordnung betr. das Verbot des Tragens von Parteiuniformen. [7] 

Den Vorsitz im Kriminalgericht führt dessen Präsident Dr. Wechner.

Die Anklage vertritt Dr. [Karl] Eberle, St. Gallen.

Die Verteidigung liegt in den Händen von Dr. Victor [Viktor] Wohlwend in Mühleholz, Dr. Erich Seeger in Schaan, und Dr. Arthur Ender aus Feldkirch. 

Nach einer kurzen Zusammenfassung und Präzisierung der Anklageschrift durch den ausserordentlichen Staatsanwalt, Hrn. Dr. Eberle, St. Gallen, wurden die ersten 8 der erschienenen Angeklagten der gewaltsamen Änderung der Regierungsform und die restlichen vier der Zusammenrottung, der Beraubung der persönlichen Freiheit und des Waffentragens beschuldigt. Worauf der Vorsitzende zur

Einvernahme der Angeklagten

überging.

Als erster wurde der Angeklagte Alois Batliner, von Eschen, einvernommen. Er gab an, dass er die Stelle eines Ortsgruppenleiters innegehabt habe. Mit der HJ und BDM habe er nichts zu schaffen gehabt. SA und SS habe keine bestanden. Zweck der VDBL sei der Wirtschaftsanschluss an Deutschland gewesen. Über seine Tätigkeit gab er an, dass diese hauptsächlich in der Werbung von Mitgliedern durch Abhaltung von Versammlungen bestanden habe. Diese letzteren wurden meistens in Privathäusern abgehalten. Auf die Fragen, ob Verbindungen mit der Regierung oder mit Personen oder Amtsstellen des Deutschen Reiches bestanden hätten, war dem Angeklagten jeweils nichts, oder nichts Bestimmtes bekannt. Dasselbe kann kurz zusammengefasst über die Befragung der Ereignisse vom 22. bis 24. März 1939 gesagt werden. Die Antworten des Angeklagten lauteten immer wieder gleich.

Über die Frage des Staatsanwaltes, ob Batliner nie den Namen des SA-Führers Seebacher gehört habe, antwortete er, dass er diesen vom Sehen gekannt hätte. Auf eine weitere Frage des Staatsanwaltes gab B. zu, am Donnerstag Morgen mit Ing. Schädler bei Seebacher gewesen zu sein, weil sie annahmen, dass der am Vortage an Schädler überbrachte Zettel mit der Aufforderung zum Aufruhr von Seebacher stammte. Er führte dann noch weiter aus, "dass Seebacher ziemlich sicher gesagt habe, dass Aufruhr zu machen sei". Im Verlaufe des Verhörs nannte der Angeklagte Batliner auch den Namen Rudolf Schädler. Dr. [Alfons] Goop und Hubert Hoch als führende Männer der Bewegung.

Um 12 Uhr mittags wurde die Sitzung abgebrochen.

Nachmittags 2 Uhr wurde die Sitzung wieder aufgenommen. Zu Beginn derselben stellte der Vorsitzende die schon bestandenen Haftzeiten der verschiedenen Angeklagten fest, um dann Franz Beck in's Verhör zu nehmen, der Ende 1938 von Ing. Schädler zum Landesleiter-Stellvertreter ernannt worden war. Ausgefragt über das Programm der Bewegung gab Beck zur Antwort, dass dies vor allem im Bekenntnis zum deutschen Volkstum und im wirtschaftlichen Anschluss an Deutschland bestanden habe. Über die Frage, wie er sich diesen wirtschaftlichen Anschluss vorgestellt habe, antwortete der Angeklagte, dass er sich über dessen Bewerkstelligung nie klar gewesen sei.

Betreffend die Ereignisse vom 22. bis 24. März 1939 versuchte der Angeklagte Beck, ähnlich wie sein Vorgänger Batliner nach dem bereits hinreichend bekannten Rezept Rudolf Hess vom Nürnberger Prozess, Vergesslichkeit und Auf-nchts-Bestimmtes Sich-erinnern-können abzustellen. Er gab jedoch zu, sich im Hause Wohlwend in Nendeln mit Ing. Schädler, Wohlwend, Frick und auch Batliner getroffen zu haben, und als dann von Schaan telephon. Bericht kam, dass das Haus des Frick von der Bevölkerung belagert werde, mit seinen Kollegen nach Schaan gefahren zu sein. Dagegen stritt er die früher deponierte Äusserung "Auf zum Marsche nach Schaan" ab. Jedenfalls konnte er sich wieder einmal nicht mehr daran erinnern. Nachdem noch Staatsanwalt und Verteidiger einige Fragen an Beck gestellt hatten, kam der Angeklagte Josef Frick, Malermeister, in Schaan, an die Reihe. Er gab zu, Ende Dezember 1938 der VDBL als Mitglied beigetreten zu sein und sei dann Ende Jänner oder Anfangs Februar 1939 zum Ortsgruppenleiter bestellt worden, obwohl er die Übernahme dieses Amtes mehrere Male abgelehnt habe. Als Ziel der Bewegung bezeichnete Frick den Wirtschaftsanschluss an Deutschland, damit vor allem die Arbeitslosigkeit in Liechtenstein verringert werden könne. Der Anschluss wäre durch die Regierung auf dem legalen Wege zu bewerkstelligen gewesen.

Über die Ereignisse vom 22.-24. März 1939 stützte sich Frick noch mehr wie seine Vorgänger auf Gedankenschwund und Vergesslichkeit, die sich öfters so grotesk auswirkte, dass ihn ein Komiker um die bei den Zuhörern ausgebrochene Fröhlichkeit hätte beneiden können. Bei einem besonderen Lacherfolg Frick's war der Vorsitzende genötigt, die Zuhörer zu verwarnen. Befragt über die Vorsprache mit seinen Kollegen Schädler und Beck beim damaligen Regierungs- Chefstellvertreter versuchte er neuerlich, wie schon vorher Franz Beck, auch wieder mit Unwissenheit zu glänzen. Schliesslich musste er sich doch zu der Zusage bequemen, dass bei dieser Besprechung Dr. Vogt der Meinung gewesen sein musste, dass ein sofortiger Anschluss erfolgen sollte. Über die Frage des Vorsitzenden, ob sie über die Frage Dr. Vogts, wie sie sich diesen Anschluss vorstellten, wirklich nur mit Achselzucken geantwortet hätten, gab Frick zur Antwort, dass dies ihm nicht mehr erinnerlich sei.

Dagegen behauptete er mit Bestimmtheit, das versucht worden wäre, in der Nacht vom 24. März 1939 sein Haus in Schaan anzuzünden und dass in der Nähe seiner Benzinfässer angekohltes Holz gefunden wurde. Über Wunsch des Verteidigers, Herrn Dr. Ender, gestattete der Gerichtsvorsitzende, dass der Angeklagte Frick eine kurze Schilderung seines Lebenslaufes vorbrachte. Dort betonte der Angeklagte ausdrücklich, dass er von 1904 bis 1922 in Deutschland gewesen und sich nie politisch betätigte, und auch als er nach Hause zurückkam sich nur seiner Arbeit und seinem Geschäfte gewidmet habe, nie aber etwas mit der Politik zu schaffen gehabt habe. Auf die Frage, weshalb er dann aber so unerfahrener Mann in der Politik gerade mit der Stelle eines Ortsgruppenleiters betraut worden sei, gab er an, dies auch nicht genau zu wissen, wahrscheinlich weil er im ganzen Lande viele Leute gekannt hätte.

Um 5 Uhr abends wurde der 1. Verhandlungstag im Hochverratsprozess vom 24. März 1939 geschlossen. Im kurzen Überblick kann gesagt werden, dass bis jetzt alle Angeklagten ihr Möglichstes getan haben, grösstmögliche Unwissenheit vorzuschützen, wie weit das in ihrem Vorteile liegt, wird der weitere Verlauf der Verhandlungen zeigen. Interessant ist jedenfalls die Feststellung, dass Leute mit soviel Unwissenheit als Landesleiter-Stellvertreter und Ortsgruppenleiter einer politischen Organisation bestellt werden konnten, die nichts Geringeres als den wirtschaftlichen Anschluss Liechtensteins an Grossdeutschland im Auge hatte. Wenn man heute die Vertreter dieser Bewegung im Gerichtssaale betrachtet, so mutet dies den Betrachter geradezu grotesk an. Die meisten versuchen möglichst niedergeschlagene Stimmung vorzutäuschen, andere dagegen wieder stoische Ruhe und Einzelne zwingen hin und wieder ein verächtliches Lächeln auf ihre Lippen. Tatsächlich ein Nürnberger Prozess en miniature.

Zweiter Verhandlungstag.

Mittwoch Vormittag wurde die Einvernahme der Beschuldigten fortgesetzt. Es wurden Josef Frick, Josef Wohlwend, Egon Marxer, und Alois Schädler einvernommen. Zunächst beobachteten sie wie am ersten Tage die Praktik des sich -nicht-mehr-erinnerns. Egon Marxer und Alois Schädler wurden dann aber doch etwas ausführlicher und machten verschiedene positive Aussagungen. Unter anderem behauptete Alois Schädler, auf dem legalen Wege den Zollanschluss an Deutschland angestrebt zu haben, musste dann aber zugeben, dass die von ihm geschilderten Vorgänge und seine damalige Hoffnung auf einen deutschen Einmarsch in Liechtenstein kein legaler Weg sei.

(Fortsetzung folgt)

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[1] L.Vo., Nr. 8, 17.1.1946, S. 1f. Die Schlussverhandlung des Kriminalgerichts gegen die Putschisten dauerte mehrere Tage. Vom 15. bis 17. Jan. 1946 fanden die Beschuldigten- und Zeugeneinvernahmen statt, am 22. Jan. die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger und am 25. Jan. erfolgte die Urteilsverkündigung. Das "Liechtensteiner Volksblatt" und das "Liechtensteiner Vaterland" berichteten ausführlich über den Prozess, vgl. L.Vo., Nr. 9, 19.1.1946, S. 1f., Nr. 10, 22.1.1946, S. 1, Nr. 11, 24.1.1946, S. 1f., Nr. 12, 26.1.1946, S. 2 ("Das Urteil im Kriminalprozess"), Nr. 13, 29.1.1946, S. 1; L.Va., Nr. 6, 19.1.1946, S. 1 ("Der Hochverratsprozess"), Nr. 7, 23.1.1946, S. 1f. ("Aus dem Prozess"), Nr. 8, 26.1.1946, S. 1 ("Aus dem Prozess"). Zur Schlussverhandlung vgl. auch das Protokoll in LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/270.
[2] Vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 1/II/4.
[3] Vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 1/I/4.
[4] Vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 1/I/2.
[5] Vgl. die Aussage Schädlers vom 30. März 1939, LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/20.
[6] Vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/196 sowie die Nachträge 205-210.
[7] Vgl. LGBl. 1934 Nr. 9.