Emma Rheinberger an Alois Rheinberger über den Tod von Hans Rheinberger, die Schicksalsschläge in der Familie, den Trost bei der Muttergottes Maria sowie die bevorstehende Wallfahrt mit Olga Rheinberger nach Lourdes


Handschriftliches Originalschreiben der Emma Rheinberger, Vaduz, an Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois) [1]

07.05.1905, Vaduz

Lieber Herr Vetter!

Sie haben uns mit
Ihrem lieben, lieben Briefe eine grosse
Freude gemacht, nehmen Sie vielen
Dank, Sie lieber, guter Vetter! Warum
hat Sie der liebe Gott nur so weit, weit
entfernt von uns? welch ein Herzens-
trost müsste das sein für uns, hie u. da
in Ihrer herrlichen, edlen Seele lesen zu
dürfen u. darnach handeln zu können.
Ihr Inneres erfüllt, blutend noch vor Weh
über d. Trennung d. guten Hans, ist so
rührend dennoch einverstanden mit dem
Willen unsers Vaters im Himmel. Gewiss
doppelt, 3fach muss er Ihnen das lohnen [2]
auf eine andere Art. Und ich? – Beschämt
stehe ich daneben, ich – der ich immer nur bete
„Vater gieb“, – niemals „nimm“, – noch nach
irdischem Glück ringend, dem lieben Gott
immer u. immer noch begreiflich machen wollend,
er möchte mich doch auch auf Erden noch nur
ein ganz, ganz Klein wenig glücklich machen,
in freilich unvergesslicher, schmerzlicher Erin-
nerung der ungleich bitteren letzten 7 Jahre
(seit Müttterchen [Theresia Rheinberger [-Rheinberger]] u. Schwester [Hermine Rheinberger] so krank gewor-
den), in denen ich gelitten, wie wol selten
ein Menschen Kind. – Und Ihre grosse, ver-
edelde Seele verlangt nur nach „Gottes Wille“,
tue es auch noch so weh. – Die liebe, süsse
Maien Königin, sie lohne es Ihnen diesen
Monat mit reichem Lohne. Haben Sie sie [3]
auch so sehr, sehr lieb? – Ich war ein gar
bös Kind mein Leben lang, Mütterchen [4]
nannte mich „das Haus Kreuz“, – aber die liebe,
süsse Himmels Königin hatte ich lieb, ich glaube
fast so lange als ich zu beten verstehe. –
Sie verzeihe mir, wenn ich fast ausschliesslich
nur bettle: „Mütterchen, gieb, hielf!“ Aber
nicht wahr, lieber H. Vetter, einmal, ein-
mal waren Sie halt doch auch glücklich,  –
ach kämpft denn nicht jedes Menschenherz
darnach? – Eilt nicht jeder Kranke zum
Arzt? – Wie eines viel bessern höhern Glücks
könnte uns der gute Hans vielleicht schon
belehren, – wären wir doch nur stark genug,
darnach allein zu arbeiten, zu leben!

Herzlich, herzlich danke ich auch für die
Zusendung betreff. d. Mormonen. Berta Schau-
er [Bertha Schauer] wird es mir übersetzen, das muss gar
interessant sein. Auch d. Karte dazu em-
pfing ich gar sehr dankbar. – Wir waren [5]
gestern oben bei d. lieben Schauerlein im
Waldi u. zwar in Begleitung v. Frl. Ursu-
la Hemmi von Churwalden, einer Verwandten Ihrer lb. Frau selg. [Margarethe Rheinberger [-Brasser]].
Wir sprachen viel Liebes von Ihnen u. Berta brach-
te edliche Bilder aus Ihrer lb. Familie. – Wie
schade, schade, dass ein so gross Wässerlein
hinüber zu Ihnen u. herüber zu uns! – Diese
lieben Bäschen alle drüben u. Vetter machen
einen so an u. ich kann Sie versichern, auch
wir sind eine gewiss liebe Basen- u. Vetterschaft,
! – ?! – Diese selbst eigne Versicherung dürfte
zwar immer etwas zweifelhaft lauten, nicht? –
Jetzt, liebes, liebes Vetterchen, aufgepasst!
Jetzt kommt etwas – worüber Sie sich
mit mir freuen müssen! – Hören Sie nur:
ich, ich darf zu Himmelsmütterchen
nach Lourdes, dem grössten, Weltbekannten
Wallfahrtsorte Lourdes in Frankreich an [6]
der Grenze Spaniens, das Sie auch kennen
müssen. – 100derte u. 100derte v. Wundern
aller Art hat Himmelsmütterchen dort schon
gewirkt. – Vetterchen, ich kann nicht sagen,
wie unaussprechlich glücklich ich darüber
bin, deshalb schreibe ich Ihnen heute auch,
ich muss [7] es Ihnen noch schnell sagen vor
der Abreise, dieses grosse, unverdiente Glück.
Als der liebe Heiland mit d. heiligen Sterbe-
sakramenten zu Väterchen [Peter Rheinberger] kam, da hat unsre
lb. F. v. Lourdes allein mich noch auf-
recht erhalten,  – als man Mütterchen
fortgenommen, – lies U. l. Frau von
Lourdes allein mich nicht zusammen brech-
en. – Und jetzt, jetzt darf ich zu ihr.
O kommen Sie mit im Geiste, lieber, guter
Vetter u. helfen Sie mir dies gütige Mutter-
herz barmherzig stimmen, – zu ihren Füssen [8]
d. Unbefleckt Empfangene demütig um nur
ein wenig Erleichterung meines schwer
mit Anliegen bepackten Reise Köfferchens bitten.
Wollen Sie, Vetterchen? O Ja, bitte, bitte [9],
sagen Sie Himmelsmütterchen, dass auch Sie
(wenn auch nur mit 1 Ave) mit mir bitten. –
Es ist eine weite reise, wir, meine Schw.
Olga [Rheinberger] u. ich machen sie mit einem
Pilgerzug. Am 15. Mai tretten wir sie an,
über Zürich, Olten, Bern, Genf, Freiburg,
Paray le Monial [Paray-le-Monial], Lyon, Cette [Sète] (am Meer),
Lourdes. – Am 17. werden wir schon dort sein
u. dort an geheiligter, von Himmelsmütterchen
wie wol noch nirgends [10] gesegneter Stelle
bleiben dürfen bis ungefähr zum 22. Leider
wird Sie dieser Brief kaum mehr bis dahin
[11] treffen, dann nicht wahr, bitten Sie Himmels-
mütterchen halt auch nacher [12], immer ja [13]
ist sie uns nahe. – Ich will auch Ihrer dort
bei der „Immerwährendenhilfe“ herzlich from
gedenken, dass sie ihre Lieben im Himmel
u. auf Erden segne, liebevoll tröste Ihr
verwundet Vaterherz, das jüngst erst ein
selten edler, guter Sohn zur Ruhe ge-
bettet. – Dessen arme Frau u. Kinder, könen
sie sich doch ein bischen schicken? –

Ich bin eilig, Vetterchen, muss noch gar
viel schaffen u. in Ordnung bringen in
Haus u. Garten vor der Abreise, desshalb
geschwind jetzt noch einen herzlichen,
herzlichen Gruss von uns dreien aus der
alten Heimat, die verklärt, unsäglich
schön [14] jetzt weit u. breit prangt, ob es wol
noch nirgendwo auf d. Welt so schön, so schön
wie d. lb. Gott unsere Heimat geschaffen? –
Allezeit mit Gott, bei welchem wir uns nahe
sein wollen, lb. H. Vetter.

Ihre
dankbare
für alle Ihre lb. Worte
dankbare E. Rheinberger

Sagen Sie nicht v. Auslagen [15], das täte mich betrüben, wegen
unbedeutender Sendungen, die geringfügig genug. – [16]

______________

[1] LI LA AFRh Ha 18. Brief in lateinischer Schrift.
[2] Seitenwechsel.  
[3] Unterstrichen.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.
[6] Seitenwechsel.  
[7] Unterstrichen.
[8] Seitenwechsel.
[9] Unterstrichen.
[10] Unterstrichen.
[11] Durchstreichung.
[12] Durchstreichung.
[13] Seitenwechsel.
[14] Doppelt unterstrichen.  
[15] Unterstrichen.
[16] Satz am Rande der 7. Seite hinzugefügt.