Das Liechtensteiner Volksblatt schildert in einem Rückblick auf die ersten 12 Monate die katastrophale Entwicklung der Klassenlotterie (1. Teil)


Nicht gezeichneter Artikel. [1]

8.12.1926

12 Monate Klassenlotterie.

Als 1925 das vielverheissende Projekt einer Klassenlotterie bei uns auftauchte und uns einen Gewinn von jährlich einer Million in Aussicht stellte, atmeten viele erleichtert auf. Endlich ist es gelungen! Nicht nur [für eine] Verdienstmöglichkeit für etwa 200 Personen ist gesorgt, auch noch ein beträchtlicher Beitrag zur Sanierung und Finanzierung verschiedener schwebender Wirtschaftsfragen ist gesichert. Die für einen solchen Betrieb eigentlich kleine Kaution von 100'000 Franken wurde hinterlegt und die Konzession trotz der scheinbar nicht ganz günstig lautenden Erkundigungen von der damaligen Regierung so erteilt, dass ein anderes Unternehmen dieser Art nicht die Konzession erhalten sollte. Wir sind heute noch der Ansicht, dass dies die Regierung zu Unrecht getan hat, weil auch eine bloss praktische Monopolerteilung mit der damaligen Rechtslage in Widerspruch stand.

Der Betrieb begann und junge Leute konnten sich ein kleines, aber immerhin tägliches Brot verdienen. Dabei sträubt sich die Feder des Geschichtsschreibers bei der Festhaltung der eisernen Wahrheit, dass bei der Arbeitserteilung Volksparteijugend sehr den Vorzug hatte. Man konnte sogar beobachten, dass bei der Arbeitsvergebung „grüne" Burschen, selbstverständlich stramme Angehörige der Volkspartei, zur Begutachtung herangezogen wurden. Es ist uns allen noch in bester Erinnerung, wie oft Söhne und Töchter von Bürgerparteiangehörigen nach Eschen oder Vaduz pilgerten, um — ständig abgewiesen zu werden. Belege hiefür sind jederzeit bei der Hand.

Die Arbeiten häuften sich, es wurde auch die ruhsame Nacht zu geheimnisvollem Treiben beigezogen. Es häuften sich aber auch die Briefe. Der Massenbetrieb machte das Ausland stutzig. Was sollen diese vielen Sendungen aus Liechtenstein? fragte man sich in solchen Ländern, in denen [das] Spiel verboten oder zum mindesten Monopol des Staates war. Dies war in jener Zeit, als man bei der Finanzkommission vorstellig wurde, das Land müsse auch die zweite Million Marken bereitstellen, sonst breche das Unternehmen schon heute zusammen. Man höre und staune, im höchsten Hochbetrieb gegen Mitte Dezember 1925. Es sickerte auch schon allmählich dies und anderes durch und dämpfte den Freudenrausch einer in den hoffnungsvollsten Aussichten zum Wahlkampf vorbereiteten Volkspartei. Das Traurige dabei ist nur, dass das Land, der gute Staat, dazu Geldeswert und guten Namen gab. Unverantwortlich aber ist es, das Landesinteresse in dieser Weise zu missbrauchen. Sollte dies bestritten werden, so tritt umso krasser der Leichtsinn hervor, der einer noch leichtsinnigeren und unfähigen Leitung eines fragwürdigen Unternehmens in die Tinte fiel.

Die verschiedensten Gerüchte kursierten im Lande und Herr Peter Büchel fragte anlässlich der Budgetverhandlungen im Landtage an, was Wahres am Ganzen sei. Als dieser Mann seine Pflicht tat, und den Abgeordneten des Volkes voll und ganz stellte, sollte es ihm schlecht bekommen. Ein ganzer Hagel von Verwünschungen ergoss sich über den schlichten Unterländer Bürger. Er wurde als Totengräber der Klassenlotterie gebrandmarkt, obwohl eine Schuld von 495'066 Franken gegen dieses Unternehmen eingeklagt werden musste und dem Feldkircher Juristen Dr. Josef Reich zur Vertretung übergeben wurde. Bisher soll von dieser Forderung nicht ein Rappen eingegangen sein. Wie gross die Summe der Vertretungskosten geworden ist, ist uns nicht bekannt. (Fortsetzung folgt.)[2]

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[1] L.Vo. Nr. 101, 8.12.1926, S. 1. Als Autorenangabe trägt der Artikel den Vermerk „(+=Korr.)“.
[2]Fortsetzung im L.Vo. vom 18.12.1926..