Der Landtag debattiert über den Beitritt Liechtensteins zum Internationalen Gerichtshof


Protokoll der Konferenzsitzung des Landtages, gez. David Strub, Florian Kindle und Fidel Brunhart [1]

14.9.1948

Regierungschef [Alexander] Frick orientiert hierauf noch über den derzeit zur Diskussion stehenden Beitritt zum Internationalen Gerichtshof im Haag. Er sei beim Fürsten gewesen und habe auch mit ihm über diese Angelegenheit gesprochen. Dieser Gerichtshof sei eine Institution der UNO, man könne jedoch Mitglied desselben werden, ohne Mitglied der Uno zu sein. Der Beitritt könne lediglich auf Grund einer Empfehlung des Sicherheitsrates der Uno erfolgen. Die Auslagen für die Professoren würden ca. 2000 Dollars und der Unkostenbeitrag ca. 200 Dollars im Jahr ausmachen. Er orientiert noch weiter über die Vorteile der Mitgliedschaft beim Internationalen Gerichtshofe und ersucht den Landtag um Erwägung der Angelegenheit. Er liest noch ein diesbezügliches Referat über den Internationalen Gerichtshof vor, welches seinerzeit vor dem Schweizerischen Bundesrat gehalten wurde.

Vizepräsident Dr. [Alois] Ritter frägt an, ob die Antwort vom Sekretariat des Internationalen Gerichtshofes oder von den Experten schon eingetroffen sei.

Regierungschef Frick antwortet hierauf, dass wohl von den Experten eine Antwort eingetroffen sei, nicht aber vom Sekretariat. Diese Antwort sei jedoch in englischer Sprache abgefasst.

Vizepräsident Dr. Ritter frägt an, ob diese Antwort übersetzt werden könnte.

Regierungschef Frick stimmt diesem Vorschlag zu und gibt weiters noch ein Schreiben des Experten an Herrn Legationsrat [Rudolf] Bindschedler bekannt.

Vizepräsident Dr. Ritter erwähnt, wenn Liechtenstein dem Beispiel der Schweiz folgend sich entschliessen sollte, dem Internationalen Gerichtshof im Haag beizutreten, so wäre es richtig die Sondierung durch die Experten vorzunehmen. Den Bericht, den wir angehört haben, hat einen privaten Charakter. Nachdem diese Antwort günstig lautet, scheine es ihm opportun das Sekretariat des Internationalen Gerichtshofes anzufragen, ob und unter welchen Bedingungen eine Aufnahme möglich wäre. Erst dann könne eine Anmeldung erfolgen. Es gebe heute noch Staaten in Europa, die Liechtenstein die Eigenschaft eines Staates absprechen. Der Standpunkt sei verständlich aus der Betrachtung heraus, welche Verpflichtungen die Tschechoslowakei z.B. gegenüber dem Fürstenhause habe. Dem könnte man begegnen, wenn man einem internationalen Forum beitrete, welches von der Uno anerkannt ist. Es dürfte dann keinen Staat mehr geben, welcher unsere Eigenstaatlichkeit anzweifelt. Auch bei internationalen Streitigkeiten wäre es sehr günstig, in einem Streitfall diese Instanz anzurufen und dies wäre nur als Mitglied möglich. Ein Grosstaat kann mit Gewalt vorgehen, wir jedoch nicht. Wir müssten uns in einem solchen Falle auf den neutralen Entscheid eines Gerichtshofes verlassen.

Regierungschef Frick stellt fest, dass das Sekretariat des Gerichtshofes nicht kompetent sein wird, diese Frage zu beantworten, sondern eher das Sekretariat der Uno. Die Schweiz habe seinerzeit den Generalsekretär der Uno wegen des Beitrittes angefragt.

Vizepräsident Dr. Ritter ist der Ansicht, dass das Schweizerische Politische Departement sicher den richtigen Weg finden wird.

Abg. Bühler Oswaldfrägt an, in welchem Falle der Internationale Gerichtshof angerufen werden könne, z.B. wegen dem Wasserrecht gegenüber Österreich.

Vizepräsident Dr. Ritter ist der Ansicht, dass in diesem Falle der Internationale Gerichtshof schon angerufen werden könne, wenn Österreich Mitglied desselben sei.

Regierungschef Frick ist der Ansicht, dass in dieser Angelegenheit wahrscheinlich auf eine Wasserrechtskonvention zurückgegriffen würde.

Präsident [David] Strub erkundigt sich, ob sich über diesen Gegenstand noch jemand äussern will.

______________

[1] LI LA LTP 1948/106.