Die Schweiz nimmt für den Kriegsfall die Einführung der Visumspflicht für alle Ausländer in Aussicht


Rundschreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, gez. Bundesrat Johannes Baumann, an die Polizeidirektionen der Kantone [1]

1.9.1939

Kontrolle der Ausländer

Vorläufige Mitteilung

Herr Regierungsrat,

Wir beehren uns, Ihnen mitzuteilen, dass wir für den Fall des Ausbruchs eines allgemeinen europäischen Krieges an Aussicht genommen haben, die Visumspflicht für alle Ausländer einzuführen. Ferner soll die Kontrolle der Ausländer durch eine Verkürzung der Anmeldepflicht, sowie der Meldepflicht des Logisgebers sichergestellt werden. Wir haben eine Vorschrift in Aussicht genommen, gemäss der der Ausländer sich den Behörden gegenüber stets unaufgefordert als solcher zu erkennen zu geben hat. Der Ausländerausweis wird allgemein mit der Photographie versehen werden müssen.

Alle Ausländer mit Ausweispapieren ihres Heimatstaates, deren Verlängerung zweifelhaft ist, werden auf Toleranz gesetzt werden müssen; insbesondere alle Refraktäre, Deserteure und Emigranten. Refraktäre (d.h. Ausländer, die nicht einrücken wollen), die sich darüber erkundigen, sind heute schon dahin zu orientieren, dass Einstellung von Ausländern in die Armee und die Hilfsdienste nicht beabsichtigt ist. Ferner muss ihnen gesagt werden, dass Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligungen mit dem Nichteinrücken automatisch erlöschen und dass sie vorderhand nur eine kurzbefristete Toleranzbewilligung auf Widerruf erhalten können, wobei dann später festgestellt werden muss, was mit ihnen zu geschehen habe. Fremde Wehrmänner, (Deserteure), die innerhalb des Schweizergebietes betroffen werden, sind zu verhaften und an das Territorialkommando abzuschieben. Bei Emigranten kann selbstverständlich die Einstellung in Armee und Hilfsdienst nicht in Frage kommen; ebenso nicht Zulassung in den Arbeitsprozess oder sonst in das Erwerbsleben. Wir werden im Gegenteil bemüht sein, die Emigranten so rasch wie möglich ausser Landes zu bringen.

Auch für den kleinen Grenzverkehr sind Weisungen vorgesehen. Für die Verschärfung der Grenzkontrolle sind solche bereits erlassen.

Wir wollten nicht unterlassen, Sie heute schon auf die von uns beabsichtigten Massnahmen für die Kontrolle der Ausländer aufmerksam zu machen. Sie sind bereitgestellt und werden sofort erlassen, sobald die Lage es erheischt. Wir ersuchen Sie dringend, der Fremdenpolizei heute schon Weisung zu erteilen, es mit der Ausländerkontrolle äusserst genau zu nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Regierungsrat, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

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[1] LI LA RF 193/098/001. Das Schreiben wurde von der fürstlichen Regierung am 4. September 1939 an das F.L. Sicherheitskorps abgetreten.