Der Landtag beschliesst, mit der Schweiz weiter über die Anwendung der schweizerischen Lotteriegesetzgebung zu verhandeln


Protokoll der Konferenzsitzung des Landtags, gez. Anton Frommelt, Georg Frick und Wilhelm Näscher [1]

9.11.1933

IV. Lotteriesache

Reg.Chef [Josef Hoop]: Es haben sich Schwierigkeiten ergeben wegen dem schw. Lotteriegesetz. Im Jahre 1923 ist in der Schweiz ein neues Gesetz in Kraft getreten, das alle gewerbsmässigen Wetten und Lotterien verbietet und nur gewisse Wohltätigkeitslotterien zulässt. Der Mutual Club hat einst seine Tätigkeit im Kt. Uri ausgeübt und ist dann zu uns gekommen. In zwei oder drei Fällen haben ausländische Behörden im Wege des Politischen Departmenets in Bern Verwahrung eingelegt wegen des Verkaufes von Losen durch den Mutual Club in ihren Ländern. Die Firma hatte auch Anstände wegen Benützung von Deckadressen und Leitvermerken. Das Unternehmen hat dann jeweils mit den Postbehörden verhandelt und so ist es immer wieder gegangen. Das Postauto der Firma hat man in der ganzen schweiz. Nachbarschaft gekannt. Es wurde aber nie beanständet. Am 10. April d.J. wurde vom schw. Bundesrat wider Erwarten und ohne Verständigung der Regierung der Beschluss gefasst, es sei das schweizerische Lotteriegesetz auch auf Liechtenstein anwendbar zu erklären. Wir haben darauf Vorstellung erhoben in Bern und darauf hingewiesen, dass es nicht angängig sei, nur so ohne weiters ein tiefschneidendes Gesetz auf Liechtenstein anwendbar zu erklären, ohne dass Liechtenstein gefragt worden sei. Ferner haben wir darauf verwiesen, dass ein Grossteil der Souveränität geopfert werde und dass wir schlechter gestellt seien als Kantone der Schweiz, die bei der Abstimmung über Gesetze mitstimmen dürfen. Ferner bedeute der Wegzug der Lotterie einen bedeutenden Ausfall für das Land. Wir haben mündlich in Bern verhandelt und in einer Note haben wir dann rekapituliert. Der Bundesrat hat aber den seinerzeitigen Beschluss nicht aufgehoben mit der Begründung, sie können der Lotterie das Vertrauen nicht mehr entgegenbringen.

Es gibt natürlich für uns nur eines und das ist die Beibehaltung des Zollvertrages. Es ist der Regierung sehr unangenehm gewesen, dass in der Weise in die Öffentlichkeit hinausposaunt wurde. Es frägt sich nun, was weiter zu tun ist. Es bestehen die Möglichkeiten:

1. sich mit dem Beschluss des Bundesrates abzufinden und wir künden der Lotterie

2. das Schiedsgericht anzurufen, das vorgesehen ist, wenn auf dipolomatischem Wege keine Einigung erzielt werden kann.

Ich bin der Meinung, dass das gemacht werden kann, ohne dass wir etwas illoyales machen. Was ist der Erfolg. Wenn wir verlieren, so wird der Bundesrat auf der Anwendung der schw. Lotteriegesetzgebung bestehen. Wenn wir siegen, was ich eher vermuten würde, dann hat die Schweiz die andere Möglichkeit zu sagen, der Zollvertrag ist für uns unter diesen Umständen nicht mehr tragbar.

Die dritte Möglichkeit besteht darin, sich mit dem Beschluss abzufinden, eine längere Liquidationsfrist anzustreben und vielleicht eine Erhöhung der Zollpauschale als Ersatz für den Ausfall verlangen.

Präsident [Anton Frommelt]: Die Schweiz erklärt, dass sie Beweise zu bringen in der Lage seien, dass die Zollvertragsverhandlungen seinerzeit in dem Sinn stattgefunden hätten, dass jedes Gesetz, das die Schweiz auf Liecht. anwendbar erklären wolle, Liechtenstein aufgeladen werden könne. Vielleicht könnte Dr. Beck als seinerzeitiger Verhandlungsteilnehmer hierin Aufklärung geben.

Dr. [Wilhem] Beck: Ich muss natürlich alles nur aus dem Gedächtnis schöpfen. Es ist eine heikle Sache. Schon seinerzeit hat die schweiz. Steuerverwaltung darauf dringen wollen, das Lotteriegesetz auch für Liechtenstein anwendbar zu erklären. Man hat es dann aber fertig gebracht, dass es nicht anwendbar erklärt wurde und man sah davon einstweilen ab. Ich wundere mich, dass die Lotterie solange hat bleiben können. Auch Dr. Im Obersteg hat damals gesagt, dass sie nicht lange hier bleiben können und von Zeit zu Zeit ihren Standort wechseln müssen. Man muss auch die Mentalität der Bevölkerung in Erwägung ziehen. Die Westschweizer sind viel lotteriefeindlicher.

Reg.Chef: Darüber sind wir uns klar, dass man nicht einfach die Hände in den Sack stecken darf. Soll man das Schiedsgericht anrufen? Dass wir dort unterliegen, würde ich sehr bezweifeln.

Präsident: Das Schiedsgericht wird nach der Mentalität des Vertrages gehen, wie schon ausdrücklich betont worden ist.

Reg.Chef: Nach dem Buchstaben des Gesetzes muss Liechtenstein bei Anrufung des Schiedsgerichtes siegen. Wenn aber Zeugen aufgerufen werden und die Sache so liegt, wie sie Dr. Beck schildert, dann halte ich von einem Schiedsgericht nicht viel und es ist dann zu befürchten, dass der Standpunkt Liechtensteins nicht geschützt wird.

Präsident: Die beste Möglichkeit sehe ich in der Erreichung einer möglichst langfristigen Übergangszeit. Dadurch finden wir eine neue Verhandlungsbasis. Vielleicht ändern sich dann die Verhältnisse in der Schweiz auch und die Sache kommt auf einen anderen Boden zu stehen.

Nach weiteren Erwägungen sprechen sich die Abgeordneten mit Ausnahme Ferd[inand] Risch gegen die Anrufung des Schiedsgerichtes aus.

Dr. Beck: Ich möchte den Antrag stellen, dass man von Dr. Emil Beck in Bern ein Äusserung einholt. Man solte ihn beiziehen. In Buchs gehen auch noch andere Gerüchte fremdenpolizeilicher Natur und zwar, dass die Schweiz gedenke, die Fremdenpolizei an ihre Grenzen zurückzuziehen.

Reg.Chef klärt über die Gewerbebeanständungen und ähnliche Fälle auf, die aber alle im schönsten Einvernehmen abgeklärt worden seien.

Präsident: Ich habe die Meinung, dass die Sache nicht besser stünde, wenn Dr. Emil Beck nochmals verhandeln würde. Mehrheitlich ist man also gegen ein Schiedsgericht und nun handelt es sich um den Modus procedendi. Wir müssen schauen herauszubringen, was möglich ist.

Es wird sodann beschlossen, auf dem Gesuchswege mit der Schweiz weiter zu verhandeln.

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[1] LI LA LTP 1933/110.