Die liechtensteinische Regierung lehnt es der deutschen Reichsregierung gegenüber ab, Fritz Schaie (Rotter) die liechtensteinische Staatsbürgerschaft zu entziehen


Schreiben der Regierung an das Eidgenössische Politische Departement [1]

23.6.1933

Dem Eidgenössischen Politischen Departement beehrt sich die fürstlich liechtensteinische Regierung den Empfang der geschätzten Note vom 27. Mai 1933 B 24 Liecht. CN in der Angelegenheit Rotter [2] zu bestätigen und in Beantwortung der Note der Deutschen Gesandtschaft in Bern [3] Folgendes mitzuteilen:

Die fürstlich liechtensteinische Regierung stellt vor allem fest, dass die Einbürgerung von Alfred [Rotter] und Fritz Rotter (Schaie) und der Gertrud Rotter (Schaie) am 24. Oktober 1931 nach Vorlage einwandfreier Ausweise über Vermögensverhältnisse und über die moralische Führung erfolgt ist. Die moralische Führung der Brüder Rotter war durch einen Ausweis der Berliner Polizeidirektion bestätigt. Auf Grund dieser Papiere ist die Einbürgerung vorbehalt- und bedingungslos erfolgt, und es stehen der fürstlich liechtensteinischen Regierung keine gesetzlichen Bestimmungen zur Verfügung, die vor bald 2 Jahren erfolgte Einbürgerung rückgängig zu machen oder nachträglich noch einschränkende Bestimmungen zu erlassen. Die fürstlich liechtensteinische Regierung sieht auch keinerlei Möglichkeit aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen das Recht abzuleiten, diese Einbürgerung zu widerrufen. Ob das in Ausarbeitung befindliche Gesetz über die Neuregelung der Einbürgerung eine Bestimmung enthalten wird, dass die Einbürgerung rückwirkend für ungiltig erklärt wird, kann heute noch nicht festgestellt werden. Soviel kann jedoch vorausgesagt werden, dass die Einbürgerung in Zukunft an bedeutend erschwerte Bedingungen geknüpft sein wird.

Was nun die von den Brüdern Rotter im Deutschen Reiche eingeklagten Straftaten anbelangt, so erklärt sich die fürstlich liechtensteinische Regierung neuerdings bereit, gegen den überlebenden Fritz Rotter (Schaie) das Strafverfahren nach dem hier geltenden österreichischen Strafgesetze vom Jahre 1853 durchzuführen, sobald die Deutschen Strafbehörden der fürstlich liechtensteinischen Regierung zu Handen des fürstlichen Landgerichtes die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Eine Auslieferung des Fritz Rotter (Schaie) ist jedoch, nachdem die Einbürgerung nicht widerrufen werden kann, gesetzlich nicht gestattet. Die fürstlich liechtensteinische Regierung gestatte sich jedoch den Hinweis auf die Tatsache, dass Fritz Rotter (Schaie) seit einigen Wochen seinen Vaduzer Wohnsitz verlassen hat und sich in einem ausländischen Sanatorium aufhalten soll. Allerdings ist der fürstlich liechtensteinischen Regierung der Aufenthaltsort des Fritz Rotter nicht bekannt. Sofern es den Deutschen Behörden gelingt, die neue Adresse des Fritz Rotter (Schaie) ausfindig zu machen, so dürfte es möglich werden, bei dem neuen Aufenthaltsstaate ein Auslieferungsbegehren mit Erfolg zu stellen.

Das Eidgenössische Politische Departement wird gebeten, diesen Standpunkt der fürstlich liechtensteinischen Regierung der Deutschen Gesandtschaft zu Handen der Deutschen Reichsregierung mitzuteilen.

Die fürstlich liechtensteinische Regierung benützt auch diesen Anlass, das Eidgenössische Politische Departement ihrer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

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[1] LI LA RF 131/409/125.
[2] LI LA RF 131/409/107.
[3] Schreiben der Deutschen Gesandtschaft an das Eidgenössische Politische Department vom 24.5.1933 (LI LA RF 131/409/103).