69 Männer verwenden sich beim Landesschulrat für das Collegium Marianum


Schreiben von Ferdinand Nigg und 68 Mitunterzeichnern an den Landesschulrat [1]

19.1.1940, Vaduz

Wie man vernimmt, sind Bestrebungen im Gange, die Tätigkeit des Collegiums Marianum in Vaduz zu unterbinden oder mindestens sehr einzuschränken. [2]

Die Unterzeichneten bitten die hohe Landesschulbehörde, solchen Bestrebungen keine Folge zu geben, vielmehr das Collegium Marianum in seiner Wirksamkeit zu fördern.

Die Möglichkeit, unsere Kinder hier im Lande das Gymnasium oder die Handelsschule besuchen zu lassen, stellt einen grossen wirtschaftlichen Vorteil dar, der für uns auch durch Stipendien in dem Umfange, wie diese gewährt werden können, bei weitem nicht ausgeglichen wird, und es könnte die Möglichkeit, die Stipendien einzuschränken, auch für die Mittel des Landes eine Einsparung mit sich bringen.

Die Schule der Maristenschulbrüder hat sich in der Zeit ihres hiesigen Bestandes reichlich darüber ausgewiesen, dass es sich um eine tüchtig geleitete und erfolgreich arbeitende Anstalt handelt, deren Bestand von allen Seiten, die religiös und staatlich positiv eingestellt sind, wärmstens begrüsst werden müsste.

In normalen Zeiten könnte die Anstalt durch den Zuzug von Schülern aus dem Auslande einen beträchtlichen wirtschaftlichen Vorteil darstellen, indem namhaftere Beträge in unser Land fliessen werden, anstatt dass wie bisher für den Besuch von Mittelschulen allein jährlich viele Tausende an schwer verdienten Franken ins Ausland wandern.

Wenn vielleicht von den Gegnern des Collegiums Marianum das Wort vom “Bildungsproletariat” gebraucht wird, so darf wohl ohne weiteres gesagt werden, dass es sich um ein billiges Schlagwort handelt und dass auf diesem Gebiete der gesunde Verstand des Volkes von selbst regulierend wirken wird, aber auch, dass eine gute, gediegene Bildung für jeden Menschen das beste Rüstzeug im Kampfe um die Existenz bildet. Der Besuch von Mittelschulen dürfte in unserem Lande immer noch bedeutend schwächer sein, als z.B in der Schweiz und als er früher besonders auch in Deutschland war.

Auch die vielleicht behauptete Konkurrenzierung der Landesschule und der Sekundarschule in Eschen dürfte kaum gegeben sein. [3]

Jeder, dem der Fortschritt und das Wohl des Landes am Herzen liegt, müsste es nach unserer Meinung nur wärmstens begrüssen, dass das Collegium Marianum sich hier niedergelassen und den Schulbetrieb in so hervorragender Weise aufgenommen hat.

Die Bitte wiederholend, die Bestrebungen gegen den Bestand und den Betrieb des Collegiums Marianum abzulehnen, zeichnen wir

in vorzüglicher Hochachtung

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[1] LI LA RF 195/415/001/019. Handschriftliche Betreffangaben: "Akadem. Contra Marianum", "Akademiker ca. Marianum". Ein gleichlautendes Schreiben mit 24 Unterzeichnern in LI LA RF 195/415/001/017-018, ähnliche Schreiben, u.a. von der Gemeindevorstehung Vaduz, in LI LA RF 195/415/001/020, 021, 025.
[2] Der Liechtensteinische Akademikerverband forderte eine Schliessung des Marianums (LI LA RF 195/415/001/006-008).
[3] Tatsächlich wurden die staatlichen Realschulen, v.a. die Landesschule in Vaduz, durch das Collegium Marianum konkurrenziert. Im Schuljahr 1936/37, unmittelbar vor der Eröffnung des Marianums, zählte die Landesschule 78 Schülerinnen und Schüler, die Realschule Eschen 25 (Rech.ber. 1936, S. 63). Ein Jahr später waren es nur noch 59 Schülerinnen und Schüler in Vaduz und 27 in Eschen (Rech.ber. 1937, S. 61), 1939/40 dann 60 in Vaduz und 27 in Eschen (Rech.ber. 1940, S. 62). Zu den Schülerzahlen am Marianum vgl. LI LA RF 195/415/001/009-016.