Die Handelsanstalt Carba protestiert gegen den Ausschluss liechtensteinischer Sitzunternehmen aus dem deutsch-schweizerischen Clearingabkommen


Schreiben der Carba Handelsanstalt für elektrochemische Werte, gez. Paul Anliker, an die Regierung [1]

28.8.1934, Vaduz

Sehr geehrter Herr Präsident,

Sehr geehrte Herren,

wir bestätigen den Empfang ihres geehrten Schreibens vom 20. d.M. [2], dem die Kopie einer Mitteilung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements vom 16. August 1934 beilag. [3] Wir sind vom Inhalt dieser Mitteilung peinlich überrascht.

Wir haben mit unserem Schreiben vom 15. Juni 1934 [4] betont , dass nach der gegebenen, klaren Rechtslage bei einem Transfer- oder Verrechnungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland das Fürstentum Liechtenstein gleich behandelt werden muss wie die Schweiz. Wir haben dies einlässlich begründet. Wir haben auch bereits erwähnt, dass sich Deutschland dieser Gleichstellung wahrscheinlich mit dem Hinweis auf im Fürstentum Liechtenstein angelegte Steuerfluchtgelder widersetzen werde. Wir haben hervorgehoben, dass dies an der Rechtslage nichts ändern könnte. Wir haben aber zugleich auch bemerkt, dass eine grosse, wahrscheinlich sogar die überwiegende Zahl der liechtensteinischen Gesellschaften und Anstalten mit deutschen Steuerfluchtgeldern nichts zu schaffen habe. Wenn also die Reichsregierung in rechtswidriger Weise unter keinen Umständen durch Einbeziehung des Fürstentums Liechtenstein in ein deutsch-schweizerisches Abkommen deutsche Steuerflüchtlinge begünstigen wolle, so müsse sie doch wenigstens diejenigen liechtensteinischen Gesellschaften und Anstalten, durch deren Organe durch ein entsprechendes Affidavit eidesstattlich versichert werde, dass am Gesellschafts- oder Anstaltsvermögen und an dessen Ertrag deutsche Staatsangehörige in keiner Weise beteiligt seien, gleich behandeln wie schweizerische Unternehmungen.

Am 28. Juni haben Sie uns daraufhin geantwortet, [5] dass die schweizerischen Unterhändler Auftrag hätten, auf dem Einbezug des Fürstentums Liechtenstein in das deutsch-schweizerische Abkommen zu bestehen. Sie haben zugleich erwähnt, dass Sie allenfalls von unserer Anregung Gebrauch machen würden, nach welcher wenigstens unter den von uns angegebenen Voraussetzungen liechtensteinische Gesellschaften und Anstalten die gleiche Behandlung wie schweizerische Unternehmungen erfahren würden.

Aus dem im Schweiz. Handelsamtsblatt No. 175 veröffentlichten Abkommen über den deutsch-schweizerischen Verrechnungsverkehr vom 26. Juli 1934 [6] entnahmen wir sodann, dass gemäss dem Zollunionvertrage vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz. Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein [7] das Abkommen in gleicher Weise Anwendung auf das Gebiet des Fürstentums Liechtenstein finde. Die Antwort des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements auf Ihre Anfrage zeigt nun, was Sie offenbar selbst überrascht hat, dass davon, entgegen dem veröffentlichten Wortlaut des Abkommens, gar keine Rede ist, sondern dass die Gleichbehandlung sich nur auf natürliche Personen mit ständigem Wohnsitz im Fürstentum Liechtenstein, nicht aber auf juristische Personen, also auf Aktiengesellschaften, Anstalten, Stiftungen u.s.w. bezieht. Eine Ausnahme wird sonderbarer Weise nur zu Gunsten der Sparkasse für das Fürstentum Liechtenstein und für die Bank in Liechtenstein A.G. gemacht.

Wir stehen in Verbindung mit einer ganzen Reihe liechtensteinischer Gesellschaften und Anstalten. Wir sind in letzter Zeit, da man wusste, dass wir uns in dieser Angelegenheit an Sie gewandt haben, verschiedentlich angefragt worden. Alle diese Gesellschaften und Anstalten stehen nun unter dem ausserordentlich bemühenden Eindruck, dass sie wohl im Fürstentum Liechtenstein Steuern zu bezahlen haben, aber als juristische Personen offenbar in gewisser Beziehung vollkommen rechtlos sind. Ihre selbstverständlichen Interessen scheinen in keiner Weise vertreten zu werden. Wir betrachten die nach der Auskunft der Eidg. Volkswirtschaftsdepartements getroffene Lösung als rechtlich unhaltbar und vollkommen unbillig und bitten Sie dringend, diese Angelegenheit nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern sie weiter zu verfolgen. [8]

Wir begrüssen Sie mit ausgezeichneter Hochachtung 

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[1] LI LA RF 136/459/079. Zeichen: Betr. No. 136/459. Eine Kopie des Schreibens ging an die Steuerverwaltung, vgl. LI LA V 158/993.
[2] LI LA RF 136/459/074.
[3] LI LA RF 136/459/071. In diesem Schreiben bestätigte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, dass juristische Personen mit Sitz in Liechtenstein von den Transferbestimmungen des deutsch-schweizerischen Clearingabkommens vom 26. Juli 1934 ausgeschlossen sind.
[4] LI LA RF 136/459/058.
[5] LI LA RF 136/459/058, Regierung an Carba, 20.6.1934.
[6] Schweizerisches Handelsamtsblatt, Nr. 175, 30.7.1934, S. 2126-2128.
[7] LGBl. 1923 Nr. 24.
[8] Obschon Liechtenstein in der Folge erneut eine Änderung verlangte, blieben juristische Personen mit Ausnahme der beiden Banken vom Transferabkommen ausgeschlossen, vgl. LI LA RF 136/459/138.