Die "Selbsthilfe-Aktion Liechtenstein" ruft die Bevölkerung zur Gründung eines Wirtschaftsringes zwecks Belebung der heimischen Wirtschaft auf


Aufruf im "Liechtensteiner Heimatdienst" [1]

9.3.1935

Aufruf an die Bevölkerung von Liechtenstein!

Motto: Der Worte sind genug gewechselt, Lasst uns nun endlich Taten sehn!

In diesem Augenblick, wo eine Mutlosigkeit das ganze werktätige Volk erfasst, wo das Heer unserer Arbeitslosen anschwillt, der Geschäftsgang stockt und die Verdienstmöglichkeit immer spärlicher werden, während die Aussichten in die Zukunft äusserst düster scheinen, in diesem Augenblick tritt die von einem gewaltigen inneren Impuls getragene Selbsthilfe-Aktion Liechtenstein zur Schliessung eines liechtensteinischen Wirtschaftsringes auf den Plan und will das eingerollte Banner einer wirtschaftlichen Aufbaubewegung neu entfalten.

Grosse Mengen unverkäuflicher Waren einerseits und eine grosse Menge darbender Menschen anderseits, dringende ungestillte Bedürfnisse des Volkes und Absatzschwierigkeiten für seine Erzeugnisse befinden sich auch bei uns in Liechtenstein dicht beisammen. Die Anforderungen an die Behörden und nicht zuletzt an die Bevölkerung zum Schutze der Notleidenden, ebenso die finanziellen Lasten wachsen. Es ist ausgeschlossen, dass wir die Arbeit- und Brotbeschaffung allein dem Staate oder den Gemeinden aufbürden. Wesentlich an einer umfassenden und billigen Krisenbekämpfung ist in erster Linie die Förderung und Unterstützung der Privatinitiative.

In voller Erkenntnis dieser Tatsachen ist unser Ziel zur Ankurbelung der Wirtschaft eine Belebung des Güteraustausches. Unser Programm und unsere Tätigkeit ist in folgende vier Punkte zusammengefasst:

1. Zusammenschluss von arbeitenden und produzierenden Personen und Körperschaften zum Austausch ihrer Produkte untereinander;

2. Gemeinsame Beschaffung und Erschliessung von Arbeitsgelegenheiten durch gegenseitige Hilfe;

3. Nachweis und Errichtung günstiger Bezugsquellen und Absatzgebiete im In- und Auslande;

4. Förderung und Unterstützung der einheimischen Industrie, des Handwerkes und der Landwirtschaft durch Beschaffung und Zuweisung von Kreditgelegenheiten.

Unser Appell zur Mitarbeit am Wiederaufbau unserer Wirtschaft geht daher an die gesamte Bevölkerung Liechtensteins!

Schon haben sich eine Anzahl Entschlossener zur gemeinsamen Arbeit die Hand gereicht. Bereits konnten günstige Absatzgebiete für unsere einheimischen Erzeugnisse im Ausland erschlossen werden. Unter anderem hat die Selbsthilfe-Aktion Liechtenstein die Belieferung eines schweizerischen Fleischkonserven-Unternehmens mit hiesiger Viehware übernommen, desgleichen sind wir schon heute in der Lage, zusätzliche Exporte von Baumaterialien, von landwirtschaftlichen und industriellen Produkten unsern angeschlossenen Firmen und Privaten zu vermitteln (Siehe unser Inserat.) [2]

Im übrigen machen wir die Bewohner von Liechtenstein darauf aufmerksam, dass demnächst in allen Gemeinden unseres Landes Orientierungsvorträge mit Diskussion stattfinden werden. Nächster Vortrag: Sonntag, den 10. März, 2 Uhr, im Gasthaus zum "Kulm", Triesenberg. Die weitern Veranstaltung in den übrigen Gemeinden werden durch die Landeszeitungen oder durch Plakate und Flugblätter angezeigt.

Sobald die Orientierungsvorträge im ganzen Lande durchgeführt sind, wir[d] das gegenwärtige provisorische Aktions-Komitee zwecks Bestellung der definitiven Organe eine Generalversammlung aller bereits angeschlossenen Mitglieder der Selbsthilfe-Aktion Liechtenstein einberufen.

Liechtensteiner, auf zur Selbsthilfe!

Schliesst auch unserer Aktion an! Wer nicht mit uns ist, ist wieder sich selbst!

Selbsthilfe-Aktion Liechtenstein

prov. Aktions-Komitee in Triesen

(Telephon 24) [3]

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[1] L.Heimatd., Nr. 10, 09.03.1935, S. 1. Siehe auch die "Liechtensteiner Nachrichten" sowie das "Liechtensteiner Volksblatt" vom selben Tag.
[2] Vom Abdruck dieses Inserates wird hier abgesehen.
[3] Das Aktionskomitee agierte vom Zementwarengeschäft E. Banzer u. Co. in Triesen aus.