Pfarrer J.T. Wolfinger berichtet von der Ankunft J.G. Rheinbergers in München


Brief Pfr. Joseph Thomas Wolfinger an Vater Johann Peter Rheinberger


Türkenfeld, den 25ten Oktobr. 1851
Euer Hochwohlgeboren!
Geehrtester Herr Vetter!

Es freut mich herzlich die Ihnen durch Herrn Sohn Peter bereits gemachten Mittheilungen in Betreff auf Pepi bestätigen zu können. Der junge Paganini [1] hat wirklich die Prüfung mit Auszeichnung bestanden, u. ist nach eigener Versicherung des Hr. Directors Hauser, den ich noch nachgehends zu sprechen die Ehre hatte, der beste von Allen, welche dieses Jahr ins Conservatorium aufgenommen worden sind.-
Herr Director versprach sich dieses hoffnungsvollen Knaben besonders annehmen zu wollen, u. so werden auch nicht wenige der übrigen Professoren ihm ihre Aufmerksamkeit zuwenden. -

Herr Director wünscht den Knaben in einer Logie zu sehen, wo er selbst auch im Familien=Kreise zu socialer u. musikalischer Ausbildung Gelegenheit fände. Die Frau Directorin bemühte sich seibst eine solche solide Familie zur Aufnahme des Knaben zu bewegen, allein Herr Peter und ich getrauten uns ohne Ihr Vorwissen nicht auf die gernachten Forderungen einzugehen - man verlangte per Monat für Kost, Logie, Mitgebrauch der musikalischen Instrumente 22 fl, käme noch Wasch und Holz dazu, so machte es monatlich die Summe von 24 fl. Das war uns zu viel. - Allerdings würde Pepi ungemein viel profitiren, und unter der Leitung eines Famillenvaters wie Herr Schöngen ist, zu dem er kommen sollte, gewiss in kurzer Zeit ein tüchtiger Mann in seinem Fache werden. Sollten Euer Hochwohlgeboren diese grossen Kosten nicht scheuen, so bitte ich um baldige Nachricht, bis dahin wird Pepi in dem bis jetzt inhabenden Quartiere bleiben, wo, wie Ihnen Herr Peter gesagt haben wird, er monatlich für die ganze Verpflegung inclusio des Klaviers nur 16 fl zu bezahlen hat. - Für das Klavier allein fordert man an andern Orten 2 - 3 fl per Monat. -

Die Familie, wo Pepi jetzt ist, ist auch sehr brav, es fehlt nicht an guter Aufsicht. Allerdings hat Pepi einen weiten Weg ins Conservatorium u. leider nicht diese sehr gewünschte Gelegenheit bey Familien=Concerten mitzuwirken.
Über bisherige Zufriedenheit des Herrn Pepi bin ich so frei ein Briefchen einzulegen, welches er mir gestern zukommen liess.
Pepi wird zwey Jahre das Conservatorium bis zu seiner gehörigen Ausbildung zu besuchen haben - andere Zöglinge müssen oft 3 - 4 und 5 Jahre darin seyn. Pepi hat sich auch etwas im Violin=Spiel zu üben, in so weit es nemlich zu musikalischen Compositionen nothwendig ist, es wird auch gut seyn, wenn er die Zeit, die ihm bey seinem Fachstudium übrig bleibt, auf deutsche Styl= Übung verwendet, wozu ihm Gelegenheit gegeben werden wird. - Ich werde nächstens wieder nach München kommen und sehen, was nach dem Erachten der Herrn Professoren weiteres zu thun. Von den 40 fl, welche ans Conservatorium zu zahlen sind, ist kein Nachlass für Pepi zu erwarten, weil er - "Ausländer“ ist.
Wenn nun auch einmal ein Bayer auf eine Liechtensteinische Akademie kommen sollte, wird man wohlweislich nicht vergessen "Repressalien“ zu üben.
Titl. Herrn Vittorio Forense in Schaan bitte ich meine Empfehlung zu vermelden, mit dem Bemerken, dass ich nächstens in der ihm bewussten Angelegenheit günstigen Bericht ertheilen zu können hoffe. -
Unter 2000 Grüssen Ihrer verehrten Familie, dem Titl. Herrn Vetter Wolfinger, Herrn Doktor Grass und Schädler zeichnet mit besonderer Hochachtung
Euer Hochwohlgeboren
Ihr Vetter Pfarrer Wolfinger

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[1] Der junge Paganini = kleines Missverständnis von Pfarrer Wolfinger.