Josef G. Rheinberger informiert seine Eltern über seine Karriere und den Kontakt zum Münchner Generalmusikdirektor Franz Lachner.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern


München, den 27.3.54
Theuerste Eltern!
Es freute mich unendlich, aus Ihrem letzten Briefe (welchen ich mit den 26fl empfing), entnehmen zu können, dass Sie sich alle wohl befinden; Gottlob! ich kann diesmal auch nur das Nämliche von mir berichten. -
Hr. Lehrer Öhry von Vaduz schrieb mir auch im Laufe dieses Monats grosse Neuigkeiten - von denen ich bloss mehr die Bestätigung erwarte.
Hr. Landesverweser Menzinger [1] soll Hofrat unseres Fürsten (in Wien) werden??! Ich möchte doch gerne Näheres wissen.-
Hr. Pfarrer Wolfinger in Vaduz ist Domherr geworden - muss er sich nun nach Chur begeben? -
Hr. Amtsschreiber Kessler soll in Innsbruck sich befinden - von all dem las ich in Ihrem letzten Briefe nichts, vermutlich ist ersteres nicht wahr. -
Hr. Professor Maier sagte letzten Mittwochs zu mir: er habe hier einen Freund - welcher einen Bekannten in der Umgebung des Fürsten Liechtenstein habe und vieles über ihn vermöge - ein Kenner und Freund der Musik sei... Durch dessen Vermittlung glaubt Hr. Maier nun, mich aufs Jahr nach Wien zu bringen, und zwar auf folgende Weise: Unser regierender Fürst Aloys kennt Hr. Generalmusikdirektor Lachner persönlich - daher soll ich meine besten Compositionen ihm (Lachner) vorlegen und um sein Zeugnis bitten - welchem Zeugnis dann er (Maier) noch eines (gewiss kein schlechtes) beifügen würde - so glaubt er - müsste ich am ehesten Unterstützung bekommen, und zwar in Wien, wo ich nach seiner Ansicht hinkommen müsste. - Er sagte mir, ich solle ja niemand etwas davon sagen (natürlich mit Ausnahme der Eltern, welche aber gewiss keinen Gebrauch davon machen). -
Gestern (Sonntags) war ich nachmittags bei Hr. Maier und händigte ihm meine bessern Compositionen ein.-
Hr. Professor Maier und Leonhard beraten sich oft wegen mir und zeigen sich immer meine Compositionen, wenn ich Einem oder dem Andern sie zeige. Hr. Direktor Hauser lasst mich jetzt in Ruhe und ich ihn auch, jedoch vertritt Hr. Herzog oft meine Stelle bei ihm.
Hr. Professor Schafhäutl lud mich an meinem Namensfeste zu Mittag ein - wo ich mich mit Hr. Salis-Soglio sehr angenehm unterhielt - ich würde noch mehr schreiben, aber weil Fräulein Lisi Rheinberger auch einen Brief will, so ist es billig, dass ich nicht alles verplaudere.

Ich lass alle und besonders Sie, Theuerste Eltern, herzlich grüssen, und vielleicht bald mehr von Eurem dankbaren Sohn
Joseph Rheinberger.

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[1] Landesverweser Menzinger = Johann Michael Menzinger (s. Anm. S. 3/Z. 27)