Joh. Ev. Perstenfeld äussert sich über die Pest in München und bittet um einen Vorschuss von 100 Gulden.


Brief Joh. Ev. Perstenfeld an Vater Johann Peter Rheinberger
30. August 1854, München


Euer Hochwohlgeboren!

Mitten in den Drangsalen einer ernsten und bedrängten Zeit, in welcher der Herr die Schalen seines göttlichen Zornes über die Erde ausgegossen hat, wo er auch über unserer Stadt die Geisel einer heilsamen Züchtigung schwang, wage ich es, Sie mit meinen Zellen zu belästigen, gleichsam um darin einige Beruhigung zu finden. -
An mir und meiner Familie ist der Würgengel vorübergegangen, ohne uns zu beschädigen, aber viele mir theure Freunde hat er hinweggerafft. Ich machte von dem Mittel Gebrauch, das unser erhabener Oberhirt seinen Diözesanen anempfahl, nämlich der leidigen Cholera ein gutes Gewissen, Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit und Ergebung in seinen heil. Willen entgegenzusetzen - und - Gott sey gelobt - ich schlief so ruhig wie zuvor.

Bereits hat diese Pest in München und Umgebung seit 1ten August 2000 Menschen dahingerafft, und nun fängt sie an abzuziehen. Seit vorgestern kahmen die Vogel wieder zurück - das ist ein Beweis, dass die Luft wieder rein ist; denn den ganzen Monat August sah man hier keinen Vogel mehr. Vorgestern war auf dem Hauptplatze an der Mariensäule ein Bittamt um Abwendung dieser Plage, und die Mutter der Barmherzigkeit scheint unser Flehen erhört zu haben, weil die Sterbefälle nun bedeutend im Abnehmen sind. -
In der Anlage übermache ich Ihnen aus Auftrag des Herrn Dr. Beer die Rechnung desselben in Bezug auf die Krankheit des Pepi im vergangenen Winter. Ich glaubte zwar, dass Hr. Professor Schafhäutl dieselbe schon langst bezahlt haben werde, und begab mich desshalb zu ihm, wo ich im Verlauf der Rede Erwähnung that von dieser Rechnung, aber er sagte nichts dass er sie bezahlen wolle, und meines Wissens versprach er es doch dem Pepi, dass er den Dr. bezahlen wolle. -
So viel mir Ihr Herr Sohn, der Lieutnant gesagt hat, wird Pepi noch ein Jahr nach München kommen.
Wenn nun das der Fall seyn wird, so bitte ich Sie jetzt in meiner Bedrängniss, mir wieder einen Vorschuss von einhundert Gulden zu überschicken, und ich gebe Ihnen die aufrichtige Versicherung, sobald die Lebensmittel-Preise wieder zurückgehen, dass ich den Pepi auch billiger behalten werde. Bis jetzt ist nur der Getreidepreis etwas gewichen, alle andern Lebensmittel aber stehen noch sehr hoch, namentlich Fleisch und Gemüse, und das Bier.

Ich sehe es wohl ein, dass es für Sie eine furchtbare Last ist, kann Ihnen aber auf Ehre und Gewissen versichern, dass wir von Pepi nicht einen Kreuzer Gewinn hatten, abgesehen von der Wäsche u.s.w. die er gleichsam gratis erhielt. - Die furchtbare Theuerung im vergangenen Jahre hat mich in meinem Haushalte weit zurückgeschlagen, und dazu der enorme Hauszins von 130 fl.

Noch einmal bitte ich Sie recht inständig, mich in dieser Bedrängniss nicht zu verlassen, oder mir wenigstens umgehend zu wissen zu thun, ob wir das Zimmer für Pepi bestimmen oder anderwärts verfügen sollen. -
Hätten wir immer Fremde gehabt, wie am Anfang der Industrie- Ausstellung, so hätten wir den Zins leicht herausgeschlagen, so aber haben wir seit dem 2ten August keinen Menschen mehr bekommen, und so gehts allenthalben. Es ist ein fürchterliches Elend dahier, und der Jammer grenzenlos. Man schätzt hier Jeden glücklich, wer nur der Krankheit auskam, und es ist auch ein Glück.
In der angenehmen Hoffnung, keine Fehlbitte gethan zu haben,
verbleibe ich
Euer Hochwohlgeboren! ergebenster Freund
Joh. Ev. Perstenfeld
Magistratsfunktionär.

München, den 30ten August 1854.

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