Joh. Perstenfeld rät, J.G. Rheinberger solle nicht allein auf die Musik setzen, sondern wenigstens noch Französisch und Latein lernen, um allenfalls auch Kinder vornehmer Familien unterrichten zu können.


Brief Johann Ew. Perstenfeld, bei dem J.G. Rheinberger wohnte, an Johan Peter Rheinberger [1]
1. Dezemberr 1851, München



Euer Hochwohlgeboren!
Da Ihr Sohn Joseph Ihnen ohnediess gerade schreibt, so kann ich umhin nicht anders, als diese Gelegenheit benützend, an Euer Hochwohlgeboren einige Zeilen zu richten.

Gleich zum Voraus will ich Ihnen berichten, dass es mit Ihrem Pepi, meinem geliebten Schützling, in jeder Beziehung sehr wohl stehet und dass wir ihn lieben wie unseren Sohn. Weil Sie mich aber in Ihrem letzten Schreiben aufgefordert haben, Ihnen in Bezug auf die Heranbildung Ihres Sohnes meine Erfahrungen und mein Gutachten mitzutheilen, so will ich dieses im aufrichtigen Pflichtgefühle der Nächstenliebe ganz unverholen thun und schreiben wie mein Herz denkt. –

Dass Pepi ein immenses Talent zur Musik besitzt, ist unbestreitbar, und er ist somit ganz am rechten Platz, wo er seinen Zweck erreichen kann. Doch hat es mit dem Zweck so seine eigene Bewandtniss; denn den Zweck, ein tüchtiger Musiker zu werden, erreicht er schon, aber ob er auch den Zweck erreicht, dass die Musik allein ihn versorgen wird, dass ist etwas Anderes. Kapellmeister und Chor- respective Orchester-Direktor wird man nicht alle Tage, und die Organisten-Stellen sind selten so einträglich, dass man davon standesmässig leben könnte, sohin sind die Organisten gewöhnlich gezwungen, zur Aufbesserung ihrer kümmerlichen Verhältnisse Klavierunterricht zu geben. –
Weil ich diess aus eigener Erfahrung bestätigen muss, so schrieb ich neulich an Hr. Hochwürden Titl. Herrn Pfarrer von Türkenfeld, dass man dem Pepi wenigstens die französische Sprache erlernen lassen möge, weil grosse Herrschaften - welche natürlich am besten bezahlen - gewöhnlich fordern, dass man den Musikunterricht in französischer Sprache geben soll. –

Oft bekömmt man derlei Kinder zu unterrichten, welche von fremden Herrschaften sind, und gar nicht deutsch sprechen, nun aber sprechen doch alle, sie mögen Russen, Engländer etc. seyn, gewiss französisch; es ereignet sich daher oft, dass der tüchtigste Musiklehrer, weil er nicht französisch kann, nicht genommen, ein Stümperer in der Musik aber, weil er nur der Sprache mächtig ist, aufgenommen und gut bezahlt wird. Über diesen Gegenstand sprach ich zwar mit erwähntem Herrn Pfarrer schon am ersten Abend, als wir uns kennenlernten, aber in anderer Art.

Ich sagte nämlich damals, dass, wenn der Knabe mein wäre, ich denselben studiren liesse, und die Musik als Nebensache betrachten würde. - Da aber hier ein anderes Verhältniss besteht, so möchte ich doch jedenfalls dazu rathen, dass Pepi doch allerwenigstens die 4 Vorbereitungsklassen der Lateinschule durchmachen würde; denn er kann in seiner Eigenschaft einmal eine Stelle bekommen, was nicht selten der Fall ist, dass er Chorregent, Cantor und Organist zugleich ist, da braucht er dann das Latein so nothwendig als den Choralgesang. - Würde er aber sogar das Gymnasium absolviren, und immer nebenher die Musik fortsetzen, so würde er freylich [als] ein wissenschaftlich gebildet[er] vollendeter Mann dastehen. –

Es sind diess nur einige Umrisse, einige Andeutungen, welche aber allerdings einiger Berücksichtigung in so ferne würdig seyn dürften, da sie auf Erfahrung gegründet sind. Ich stelle es Ihrem weisen Ermessen anheim, was Sie hierüber zu verfügen für gut finden werden und stelle mich zufrieden, meine Pflicht in der Art gethan zu haben, dass ich meine Erfahrungen Ihnen hiemit mittheilte; und empfehle mich in ausgezeichneter Verehrung und Hochachtung
als
Euer Hochwohlgeboren!

München, den 1ten Dezember 1851

ergebenster Diener
Johann Ev. Perstenfeld,
Magistratsfunktionär

Viele Empfehlungen von meiner Frau und meinem Sohn Ludwig

______________

[1] Der Brief zusammen mit dem Brief J.G. Rheinbergers vom 1.12.1851 nach Vaduz geschickt.