J. G. Rheinberger schreibt, dass er Ostern bei Pfr. Wolfinger in Türkenfeld verbracht habe und dass das Leben in München teuer sei, er aber sparsam lebe.


Brief J. G. Rheinberger an die Eltern 


München den 30ten Ap. 1852
Theuerste Eltern!
Euer werthes Schreiben vom 15ten April erhielt ich den 17ten gl. M., nachdem ich nun von Türkenfeld zurückgekehrt bin. In Seefeld war ich nicht, weil H. Direktor zu Ostern keine Zeugnisse austheilte u. weil H. Pfarrer Wolfinger nicht Zeit hatte, mit mir dorthin zu gehen. Übrigens hatte ich mich in Türkenfeld sehr gut unterhalten. Der H. Pfarrer erwartet täglich einen Besuch von H. Ochsenwirth in Feldkirch. - Hn. Lampert vom Schloss habe ich hier noch nicht gesehen - kommt er vielleicht gar nicht nach München? –
In den Studienfächern geht es mir ganz gut. Nur in der Harmonie-Lehre kränkt mich sehr, dass ich immer auf die [andern] warten muss - so z.B. blieb einer 14 Tage lang aus - lernte ich immer vorwärts, nun muss ich wieder die nämlichen Aufgaben machen, bis er auch so weit gekommen ist, als ich. Dessen ungeachtet sagte mir der Professor der Compositions-Lehre, H. Meier, dass ich die besten Aufgaben eingeliefert hätte. - In den Klavierstunden aber lernt jeder unabhängig vom andern, u. so kommen alle schneller zum Ziele, was von H. Professor Wanner sehr zu loben ist.

Herr Direktor kam einmal in die Orgelstunde u. sagte zu mir, dass er es lieber sehen würde, wenn ich mit den Orgelstunden aussetzen würde, weil sie die Klavierstunden hemmen würden. Als Herr Professor Herzog einwendete, dass ich aber gute Anlagen zu einem Organisten hätte u. es Schade wäre, wenn ich mit der Orgel aussetzte, bekam er eine derbe grobe Lektion vor allen Schülern. Unter anderm sagte er auch, dass er es überhaupt nicht leiden könne, wenn ein Schüler Klavier- u. Orgelstunden zugleich nehme. Das nächste Jahr könnte ich wieder Orgelunterricht haben. H. Herzog sagte dann mir, dass er mir (heimlich vor dem H. Direktor) Privatunterricht ertheilen wollt, u. zwar unentgeltlich auf der Orgel der evangelischen Kirche. –

Hier herrscht grosse Theuerung, so z.B. kostet das Pfund Schweinefl. 15+er, das Kalbfl. 11+er, das Rindfl. 12+er, das Klafter Holz 13 fl, das Pfund Mehl 10 +er, das Schäffel Kartoffel 6 fl, das Pf. Schmalz 28 +er, das Pfund Kaffe 40 +er, das Pfund Zucker 24 +er, ein Wohnung von 3 Zimmern jährlich 130 – 50 fl.-
Wie geht es dem Toni? Wenn er hier wäre, hätte er viel Gelegenheit, sich für's Zeichnen u. Malen auszubilden. Wenn ich einmal Zeit habe, werde ich ihm recht viel schreiben, das ihn interessieren würde. Viele Grüsse an ihn. Wie geht es den andern Brüdern u. Schwestern? Und Ihr, theuerste Eltern, seid ihr gesund? Der lieben Schwester in Zams habe ich schon geschrieben. Für's Schuhflicken bezahlte ich bis jetzt dem Schuster über 3 fl, der Schneider aber profitirte von mir noch keinen +er, denn an den Kleidern ist noch nichts zerrissen, aber der alte blaue Rock ist mir ein wenig zu klein u. die graue Hose ein wenig zu kurz. –
Am 15ten Ap. musste ich das Lehrgeld für's 3te Quartal (10 fl) bezahlen. –
Grüsst mir alle lieben Geschwister u. Bekannte, indem ich in Erwartung eines baldigen Briefes von Euch, verbleibe ich Euer dankschuldigster Sohn
Joseph Rheinberger.
Viel Empfehlungen von Seite meiner Quartirleute.

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