Josef G. Rheinberger schickt eine genaue Liste seiner Ausgaben an die Eltern und im Oratorienverein ist er mit Arbeit voll ausgelastet.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
27. Februar 1855, München


Theuerste Eltern!

Es freute mich ungemein, von Ihnen, Bester Vater und von Toni vernommen zu haben, dass Sie sich alle des besten Wohlseins erfreuen. Gottlob! dass ich das von mir auch sagen kann. -

Vorerst habe ich viele Empfehlungen von den Herren Maier und Schafhäutl; welch letzterer nicht auf die Pariser Ausstellung geht, denn er sagte, er hätte deren dieses Jahr genug gehabt. Zu Hr. Maier gehe ich wöchentlich einmal, um ihm Rechenschaft von meinen Arbeiten zu geben, womit er immer ausnehmend zufrieden ist. Sonntag nachmittags wird gewöhnlich bei Hr. Leonhard musiziert. -
Zu Hr. Generalmusikdirektor Lachner komme ich gewöhnlich alle Wochen einmal - in der Zwischenzeit besieht er meine Kompositionen und sagt mir immer, was daran auszustellen. Vorgestern (Sonntags) war ich wieder bei ihm zu Tische geladen und musste nachher meine, Leonhard gewidmete Sonate vorspielen. Jene Stelle, zu der ich hätte gelangen können, war in Zweibrücken in der Pfalz. Gestern gab unser Oratorienverein sein erstes Konzert mit sehr grossem verdientem Beifalle. Dieser Verein macht mir viel zu tun, denn oft haben die Damen, dann wieder die Herren allein Probe; jedoch lerne ich vieles dabei und bin auf meinem bescheidenen Posten nicht ohne Neider. Diese Wochen traten die letzten Industrieausstellungsgäste ihre Heimreise an, nämlich die der Cholera zum Opfer gefallenen, welche ausgegraben und in ihre Heimat geeisenbahnt wurden. Letzten Samstag vor 8 Tagen fiel hier soviel Schnee, dass man in der Stadt die Kommunikation nur mit Mühe erhalten konnte, an manchen Stellen 4 - 5 ' tief. -
Letzthin erhielt ich eine Vorladung auf die Polizei. Man sagte mir, es sei noch ein junger Hr. Rheinberger aus Vaduz hier, lerne auch Musik, wohne auch in der Müllerstrasse: ob dieser mein Bruder wäre? Ich fragte, wie er heisse? Gabriel! Dann bin's ich selbst! sagte ich. Nun ging's über den armen Schreiber los, er hatte beim Passabschreiben Josef u. Gabriel geschrieben.

Hier noch das Verzeichnis der Ausgaben:

                                                     fl    +   er

Für Papier                                        –       9
"    einen Stock                                –      42
" Stahlfedern                                     –    12
" Notenpapier                                  1       12
" Kerzen                                            –     12
Dem Buchbinder                                –      24
Für Umschlagpapier                          –        6
"   einen Hut ausbügeln                     –     12
"  eine Hutschachtel                          –      30
"   Handschuhe                                  –      42
"   Konzertzetteln                              –        6
"    Briefmarken                                   –      9
"    ein Musikstück                                1      -

(Für Hr. Amtsschreiber, es war nur ein Exemplar noch vorhanden, das andere ist bestellt, sie sollen bald kommen) Summa 6 fl.
Das sind die Ausgaben des Februar. Für Fastnachtsbelustigungen ist, glaube ich, wenig darunter.

Wie geht es zu Hause? Von Hr. Kanzelisten und dem um 9 Mann verstärkten Hr. Lieutnant höre ich garnichts. Ist Lisa verheirathet mit Hr. Oberförster?
Leben Sie wohl, theuerste Eltern! und schreiben Sie bald ihrem dankbarsten Sohne
Jos. Rheinberger
Chorrepetitor des Orv.
München den 27.2.55.

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