Josef G. Rheinberger äussert sich über seine Zukunft in München und erzählt den Eltern vom bevorstehenden Concert des Oratorien-Vereins.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
30. April 1855, München


Theuerste Eltern!
Ich hätte diesmal gern gewartet mit schreiben bis Toni mir geantwortet hätte, allein darüber wäre der Monat zu Ende gegangen. - Hat Peter denn seine Säbelkuppel nicht erhalten, weil ich keine Antwort bekam? -
Theuerste Eltern! Oft denke ich, werde ich dieses ganze Jahr hier in München bleiben können, oder wohin sonst?
Hr. Prof. Schafhäutl spricht freilich davon, wie von einer ausgemachten Sache, aber ich will ihn auch nicht geradezu fragen. Wenn ich hier nur eine kleine Stelle hätte, das Übrige wäre meine Sorge, - wenn ich nur um 3 - 4 Jahre älter wäre - hörte ich schon oft. - - -
Letzthin wurde im Saale des kgl. Conservatoriums ein Quintett (op.19) von mir aufgeführt, was sehr gefiel. Ich bekam darüber verschiedene Complimente.
Dass Herzog hier war, habe ich schon geschrieben. Gestern begegnete ich Hr. Salis-Soglio. Er fragte mich unter anderm ob Peter wohl Lust hätte, in österr. Dienste zu treten; ich sagte, ich wüsste es nicht, worauf er bemerkte, wenn dem so wäre, würde er mit Fürst Schwarzenberg reden, der würde ihm nichts abschlagen. -
Ich befinde mich sehr wohl, was ich auch von zu Hause zu vernehmen hoffe, besonders auch von Ihnen, teuerster Vater! - Morgen, (1. Mai) werde ich, weil das Wetter hübsch ist, nach Starnberg fahren. Nächstens ist wieder Concert des Oratorien-Vereins, wobei ich auf der Orgel (noch immer mein Lieblingsinstrument) auch mitwirken werde, wozu ich mir einen schwarzen Rock anschaffe. -

Der Toni soll mir bald schreiben, oder der brave Hr. Kanzelist. Was macht die Liebe Mutter, - spinnt sie fleissig? Indem ich auf einen baldigen Brief von Ihnen, Theuerster Vater! hoffe, verbleibe ich Ihr dankschuldigster Sohn

Jos. Rheinberger
München, 30.4.55.

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