Josef G. Rheinberger berichtet seinem Vater, dass die Sinfonie noch nicht stattfinden konnte und bedankt sich für das überschickte Geld.


Brief Josef G. Rheinberger an seinen Vater Johann Peter Rheinberger
30. August 1855, München


Theuerster Vater!
Soeben, wie ich nach Hause komme, liegt Ihr theures Schreiben auf dem Tische. - Heute früh sagte mir Hr. Professor Maier etwas von Ihrem Briefe; die Zögerung ist mir sehr begreiflich, denn Hr. Maier war vor 14 Tagen (ungefähr) nach Karlsruhe verreist und kam erst gestern zurück; -
wird aber morgen wieder fortreisen; er lasst alle grüssen. In Betreff der Symphonia habe ich nur zu berichten, dass die Aufführung nicht stattfinden konnte, weil grosse Besetzung noch nicht zu haben war und ich dem Direktor geradezu sagte, dass ich sie mit kleiner Besetzung nicht geben lasse. Der Direktor sagte, es sei ihm sehr viel daran gelegen, dass sie gut gegeben werde; er versprach sie mir mit grosser Feierlichkeit am Namenstage der Königin Marie (Maria Geburt [1]) gewiss aufzuführen; Schafhäutl freut sich
umgemein darauf und sagt Beifall voraus, was mich mehr freut, als 100 bestellte Bravoschreier; jedenfalls miete ich mir auf jenen Tag einen schönen Frack und studire "Verbeugungen" ein. Lachner gibt sich viele Mühe mit mir und hat mich gerne, so wie auch seine Familie. -
Mit Tschavoll habe ich toujours corréspondence francaise; er schrieb mir vor 3 Tagen; er hat eine Violine um 3000 fr gekauft. Ich muss mich wieder photographieren lassen, ihm mein Bild und ein Violinkonzert (von mir noch zu componiren), schicken. Stunden zu geben habe ich wöchentlich 5 (3 dem Schweitzer und 2 einem würtemb. Schullehrer, auch Schüler von J. Maier) und soll dafür monatlich (von beiden) 8 fl einnehmen; jedoch ist auf diesem Punkt der Schweitzer (ein geld- und talentarmer Tropf) sehr vergesslich, dass ich oft sage, die oder jene Stunde gelte nichts, weil ich nur eine 1/2 Stunde ihm gegeben habe, wobei er oft froh ist; (solche Leute meinen immer, wenn sie zu einem Schuster nichts taugen, so werden sie Componisten, gehen 1/2 Jahr in die Lehr und sind "fertig"; Pfui!) Der Württemberger ist fleissig und brav, obschon erst 45 Jahre alt. Dann nehme ich seit einem Monate beinahe täglich englischen Sprachunterricht; nämlich ein Freund von mir lernt es bei seiner Schwester, welche 6 Jahre in England war und dem es allein zu langweilig, sagte, ich solle mit ihm lernen, was ich auch that; oft lachte Schafhäutl, wenn wir Sonntags fortfuhren und ich englisch sprach. - Was Maier mit den 30 fl meinte, verstehe ich nicht, ich erhielt 45 fl, er muss sich verschrieben haben. Früher einmal brauchte ich 4 1/2 fl für den Notenschreiber meiner Symphonie.
Letzthin las ich in einem hiesigen Lokalblatte beiliegende Todesanzeige: das Liese soll Frau Oberstforstmeisterschauerlise fragen, ob das nicht die Klavierspielerin-Tochter der Feldkircher Assmann, welche vis a vis dem Ochsen wohnte, war; - und soll es mir dann schreiben. -
Meine Garderobe ist en bon état. Auf's Oktoberfest wird im Glaspalaste ein Riesenkonzert veranstaltet. Von meinem Verlage in Leipzig habe ich bis dato noch nicht Antwort. Die Liebe Mutter lasse ich vielmals herzlich grüssen, sowie die Übrigen. Ihnen verehrtester Vater! danke ich vielmals für das überschickte Geld und bitte Gott, Ihnen stets Gesundheit und Zufriedenheit zu erhalten! Nochmals allen meinen Gruss! Jos. Rheinberger

München, 7.8.55

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[1] Maria Geburt = 8. September