Josef G. Rheinberger bekommt das Angebot von Hr. Kull seine Symphonie in Augsburg aufzuführen.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
26. September 1855, München


Theuerste Eltern!
Obschon ich auf meinen letzten Brief noch keine Antwort erhielt, -. so hoffe ich doch, dass Sie sich wohl und gesund befinden. -
Hiemit schliesse ich 2 Kritiken über meine Symphonie bei - aus der "Neuen Münchner Zeitung" und den "Neuesten Nachrichten" - welche beide sich noch in dem hiesigen "Theaterjournal" und "Münchnerboten" befinden. Hr. Kull (dessen Tochter in jenem Konzerte spielte) machte mir das Ansinnen, mit ihm nach Augsburg zu gehen, (wo er Concert gibt) um dann auch dort meine Symphonia aufzuführen - soll ich - oder soll ich nicht? Da Prof: Maier noch nlcht hier ist, fragte ich Prof: Schafhäutl. Er sagte: wenn am Conzertzettel geschrieben wäre: aus Gefälligkeit wird Rheinberger seine Symphonie aufführen - dann solle ich gehen; jedenfalls müsse der Zettel so lauten, dass man nicht meine, ich sei reisender Virtuos; indem das meinem Ansehen schaden würde. Die Kosten wären, einige nothwendige Copiaturen eingerechnet, höchstens 12 fl. - Soll ich - oder soll ich nicht? - Jedenfalls bitte ich um baldige Antwort, da Herr Kull am 5. - 8. Oktober fortreisen will - und ich ihn nicht vor den Kopf stossen möchte. Er hat in Genf auch Hr. Adler (der in Feldkirch war) kennengelernt, und scheint mir jedenfalls ein braver Schweizer zu sein. Mali und Lisi sind mir Briefe schuldig; und der Peter soll recht bald kommen, da jetzt herrliches Wetter ist. - Der David soll seine Nase (welche wunderschön sein muss) durch "neuen Suser [1]" nicht noch röter färben. In Erwartung, dass alle gesund sind und mir bald schreiben werden, verbleibe ich, Theuerste Eltern,
Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger

München, den 26.9.55.

P.S. dass ich nicht vergesse - Hr. Schafhäutl wünscht Hr. Salis's Adresse zu erfahren, um ihm wegen der Aufführung meiner Syrnph: zu schreiben!!!"

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[1] "neuen Suser" = Sauser, Wein bei beginnender Gärung. Der Weinbau hatte im 19. Jahrhundert eine grössere Bedeutung in Liechtenstein als heute.