Josef G. Rheinberger schreibt von seinen Musikschülern und der Kirchenmusik.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
2. Dezember 1856, München


Theuerste Eltern!
Ohne etwas Neues, Bemerkenswerthes zu wissen, schreibe ich Ihnen diesmal bloss, um Sie von meinem immerwährenden Wohlbefinden zu unterrichten. Ich habe nun bereits 3 Schüler, wovon nur einer 30, die andern 24+r per Stunde bezahlen; was sehr wenig ausmacht; da sie noch Anfänger sind, so ist das um so langweiliger. Auch bin ich nun wieder wie vor 3 Jahren Organistenstellvertreter; ob ich dafür bezahlt werde, weiss ich selbst noch nicht. Auch ist es in die St. Ludwigs= Kirche sehr weit zu gehen. Mein Oratorium "Jephtas Opfer" habe ich im Clavierauszug fertig. Hr. Schafhäutl gefiel es sehr.
Heute werde ich mit meiner grossen Ouverture fertig, welche ich dann im Privatmusikvereine zur Aufführung bringen werde. Meine Es-dur Messe wird im Januar in der Ludwigskirche aufgeführt, besonders auf Verlangen des Hr. Prof. Schafhäutl. Auch ein grosses Streichquartett habe ich fertig. Die Frau des Hr. Prof. Herzog sei gestorben, worüber dieser ganz trostlos geworden sein soll. Sind die Bestellungen Davids und Lisa's angekommen, oder nicht? Ist man damit zufrieden? Ich muss mich nun um noch mehr Stunden umsehen; und das ist ein langweiliges Geschäft. Wie geht es Peter? Hanfstängl und Cucumus lassen ihn herzlichst grüssen. Nun kommt mein 30+r=Schüler.
Leben Sie wohl, Theuerste Eltern und Geschwister, und vergessen Sie nicht Ihren Sie liebenden Sohn und Bruder

Jos. Rheinberger.
München, den 2.12.56.

Sollte unter der Zeit etwas
Besonderes vorkommen, so werde
ich im Laufe des Monats
noch einmal schreiben.

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