Josef G. Rheinberger fühlt sich gekränkt, fragt nach Gründen für das Misstrauen des Vaters vom letzten Brief.


Brief Josef G. Rheinberger an seinen Vater
23. Januar 1857, München 


Theuerster Vater!
Nachdem ich Ihren lieben Brief vom 19ten d.M. gelesen und abermals gelesen, und - ich sag' es unverholen - es mich wirklich sehr geschmerzt hat, dass Sie Misstrauen in meine Aufrichtigkeit setzten: - so beeile ich mich unverzüglich, Sie, Theuerster Vater! um die Gründe zu bitten, welche dieses mich so kränkende Misstrauen hervorzurufen im Stande waren. Sollte ich indess wirklich dazu Anlass gegeben haben, so ist es, das weiss Gott, nicht wissentlich geschehen - obschon ich mich nicht entsinnen kann, inwiefern. Ich weiss wohl, dass ich, wie Jeder, meine Fehler habe, glaube aber niemals Ihnen, Theurer Vater! gegenüber, das kindliche Vertrauen ausser Acht gelassen zu haben; indent ich meine Eltern vor Allem ehre und liebe, und desswegen muss dieses Misstrauen von Ihnen mein Gemüth eben am schmerzlichsten angreifen. - Ihr Vermuthen in Betreff des Februar-Monatsgeldes ist richtig. Die Subscription beträgt im Oratorienvereinsgehalt 20-21f1 monatlich. Über Toni's Angelegenheit habe ich in dem Briefe an Lisi berichtet. Lisi kann seine Bestellung am Montag den 26ten d.M. in Sevelen abholen, und dann den der Bestellung beiliegenden Brief dem Toni mittheilen. -
Peter zu schreiben, war schon längst meine Absicht, aber ich bin noch nicht dazu gekommen. Für sein 20 francs-Stück meinen Dank, ich werde ihm dafür bald Recensionen schicken können, indem ich schon die Stimmen zu meiner Fiesko=Ouverture schreiben lasse, um sie im Privatmusikvereine zur Aufführung zu bringen. - Letzten Freitag vor 8 Tagen war ich bei Hofmaler v. Dürk eingeladen, und spielte mehrere Compositionen von mir mit grösstem Beifalle, componirte für diese Soirée zwei Gesangsquartette, welche ungemein gefielen. Es waren einige noble Herrschaften anwesend. Letzten Freitag ging ich mit Frau v. Dürk zum Academie-Director v. Kaulbach (dem berühmten Maler) wo ich…
Es war noch ein bekannter Klaviervirtuos dort, was mich nicht abhielt meine Compositionen zu spielen. Hr. Kaulbach verlangte immer noch etwas zu hören und ich fand immer Beifall. Ich bin dort wieder eingeladen. Mit den Herren Lachner, Schafhäutl, Maier, Leonhard stehe ich immer so gut als früher. Hr. Prof. Schafhäutl sagte mir, meine Compositionen seien nun so reif, dass ich unbedenklich einiges drucken lassen könne; worüber ich mit Herrn Maier sprach. Von Mannheim gar keine Nachricht. Sind alle gesund zu Hause? Auch Sie, Theure Eltern?
Ich verbleibe Ihr dankschuldiger Sohn
Jos. Rheinberger
(Dem Hanni, Peter, David, Mali, Toni werde ich nächstens schreiben, sowie auch Hr. Tichy).

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