Josef G. Rheinberger informiert seinen Vater von der neuen Anstellung als Organist an der Theatinerhofkirche.


Brief Josef G. Rheinberger an seinen Vater
7. Oktober 1857, München


Theuerster Vater!
Der Überbringer Ihres letzten lieben Briefes war Hr. Briem aus Feldkirch, welcher mir sodann auch seinen Sohn präsentirte. Ihrem ausgesprochenen Wunsche gemäss werde ich für Ihn thun, was ich kann.
In Betreff Lamperts konnte ich in Erfahrung bringen, dass er bei der Explusions=Katastrophe all' sein Habe eingebüsst und er, seine Frau und zwei Kinder verwundet ins Krankenhaus gebracht wurde. Er ist nun geheilt entlassen und mit Familie von Maler Volz in der Heustrasse (glaube ich) in die Wohnung aufgenomrnen worden. Auch erhielt er vom König eine Unterstützung und gingen in der Expedition der "Neuesten Nachrichten" circa 500fl für ihn ein. Das Oktoberfest ging Sonntag den 4ten beim herrlichsten Wetter in Anwesenheit einer ungeheuren Menschenmenge vor sich.

Der David möge nicht vergessen, mir bis Ende Oktober's einen neuen Pass zuzuschicken.
Wer ist nun Lehrer geworden in Vaduz?
Ich habe gegenwärtig sehr viel mit Stimmen schreiben zu thun, weil meine neue Sinfonie im November zur Aufführung kommen soll. Auch habe ich ein Quartett für Oboe, Waldhorn, Cello und Clavier für diese Concert=Saison geschrieben. Sodann muss ich "Jephtas Opfer" im Einzelnen umarbeiten. Diesen Winter werde ich desshalb Recensionen in Genüge einschicken können, wenn alles gut geht. Hr. Briem sagte mir, dass die Schwester des Hr. Schmutzer in Feldkirch gestorben sei, auch dass die Jesuiten [1] dort so gute Geschäfte machen, dass sie eine neue "Kaserne" bauen müssten. -
Wo ist Peter gegenwärtig? Er schreibt mir nie, auch kann ich in Ermangelung seiner Adresse ihm nicht schreiben. Das ist, Theuerster Vater! so ziemlich Alles, was ich zu schreiben weiss.

Hr. Pentenrieder (Kapellmeister bei St. Ludwig) liess mich ungern weg von seiner Kirche. Doch ist mir mein neuer Dienst lieber, indem ich nicht so weit zu gehen und nicht mehr zu thun habe und etwas mehr bekomme. Meinen 1/4 jährigen Gehalt mit 15f1 muss ich beim kgl. Kassier=Amt erheben, was ich gern thun würde, wenn es nur 15mal an jedem Quartal vorkäme.
Es würde mich freuen, wenn Toni mir wieder einmal schreiben würde.
Ich bin immer gesund und ein fleissiger Tintenverbraucher. Indem ich alle Theuren zu Hause, vorzüglich aber Sie, Bester Vater! herzlich grüssen lasse, verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn

Jos. Rheinberger
Königl. Bairischer Hoforganist
mit 60f1 Gehalt
München, 7.10.57.

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[1] Jesuiten = In Feldkirch begründeten die Jesuiten wit ihrer Internatsschule "Stella matutina" den weltweiten Ruf Feldkirchs als "Studierstädtchen".