Josef G. Rheinberger schimpft über das "Rezensentenpack" und gibt dem Vater Auskunft über sein Einkommen aus den Musikstunden. Weiter erwähnt er, dass Fanny von Hoffnaaβ Musikstunden von ihm erhält.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
2. Februar 1858, München


Theuerste Eltern!

Herzlichen Dank für Ihren lieben Brief und Weihnachtsgeschenke, beides Zeugen, dass man an den Pepi auch "dahäm din" gedenkt. Auch Peter hat mir auf Neujahr geschrieben. Auf meine an ihn gerichtete Antwort schrieb er mir wieder, dass ich ihm eine Pelzkappe schicken soll. Nun geht scheint's mein Speditions-Geschäft wieder an!
Es ist Ihnen, Bester Vater! aufgefallen, dass der Münchner-Correspondent der Allg. Zeitung in der Recension des Orator[iums]-Vereins-Conzertes meine Cantate, die doch das Hauptwerk des Abends war, gar nicht erwähnte. Ich stelle mir das ganz einfach so vor: Der Correspondent (ein Hr. Grandauer) kann mich nicht leiden (warum? weiss ich nicht) und da er nicht wohl über mein opus losziehen konnte, so hielt er es für besser, ganz darüber hinwegzugehen. Übrigens liegt mir an dem Recensentenpack wenig. Wenn ein jüngerer Componist, welcher noch ohne Namen, mit einem grösseren Werke vor das Publikum tritt, so meinen diese Herren, sie dürften sich ihm gegenüber auf's hohe Ross setzen. Ich habe nichts dagegen, wenn sich diese Herren Kritiker darin glücklich fühlen und bin zufrieden über das, was Kenner wie Lachner, Schafhäutl, Maier sagen. - Auch hat das gesamte Auditorium mein Werk mit grossem Beifall aufgenommen, ob es nun in die Allgemeine Zeitung geschrieben wurde oder nicht. -
Sie wünschen ferners, Theuerster Vater! zu verrechnen, wie hoch sich mein Einkommen beläuft. Es wird so ungefähr in die 40 fl per Monat reichen (inclusive Organisten- und Oratorienvereinsgehalt), denn bestimmen lässt sich das nicht, weil ich oft in einer Woche 4 - 5 Stunden weniger zu geben habe. Übrigens sehen Sie daraus, dass ich schon auskomme. Die Hauptausgaben werden immer für Kleider gemacht, weil man jederzeit propre erscheinen muss. Mein Christkindl, von dem ich geschrieben, erhielt ich von einer Frau von Hoffnaaβ [1], welche die Hauptsolopartie in meiner Cantate gesungen hat und auch den Generalbass bei mir lernt. Ich hätte noch zwei Damen des Oratorienvereins zu Harmonieschülerinnen bekommen können, ich nahm es jedoch nicht an.
Meine Sinfonie werde ich wahrscheinlich noch einer Umarbeitung unterbreiten, bevor ich sie aufführen lasse, weil sie mir in ihrer jetzigen Gestalt nicht genügt. Wie Sie, Beste Eltern! sehen werden, bin ich von früh bis spät musikalisch beschäftigt. Ich freue mich immer auf die Sonntage, weil ich da Orgel spielen kann, ohne mir von dem Hof-Chordirector etwas einreden zu lassen. (Weil er etwas musikalische Manchetten von mir hat, kommen wir ganz gut aus.)

Wird meine liebe Vaduzer-Messe nie aufgeführt, sowie mein Choral-Predigt-Lied? Hr. Pfarrer Wolfinger lasse ich schönstens grüssen.
Dass Sie sich alle in unserer neuen Heimath auch heimisch fühlen, hat mich sehr gefreut, besonders, dass sich die theure Mutter auch darein begab. Auch Peter war, seinen Briefen zufolge, zufrieden. Ich bin, Gott sei Dank! nun wieder kerngesund und habe die Grippe längst wieder angebracht.
Nun, Theuerste Eltern! verschmähen Sie nicht meinen nochmaligen Dank für Obiges und seien Sie der ewig dankbaren Liebe versichert

Ihres Sohnes
Josef Rheinberger

München Lichtmess 1858

NB: Toni, Lisi, Mali schreibe ich in diesem Monat noch ganz bestimmt.

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[1] Frau von Hoffnaaβ = Franziska (Fanny) von Hoffnaass, geb. Jägerhuber (1832-1892), spätere Gattin Josef Rheinbergers.