Josef G. Rheinberger schreibt seinen Eltern vom Besuch des Herrn Schmutzer aus Feldkirch.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
4. März 1858.


Theuerste Eltern!

Indem ich den ganzen Monat Februar ohne Nachrichten von Vaduz war, so hoffe ich, dass Sie, beste Eltern! sich mit allen lieben Geschwistern im erwünschten Wohlsein befinden. Ich kann, Gott sei Dank! von mir auch nur das nämliche berichten.- Ich lebe immer in gleicher Thätigkeit fort, und habe mich an das Stundengeben so ziemlich gewöhnt; da ich mit dem Frühjahr wahrscheinlicherweise auch mehr Musse bekomme, so werde ich dann wieder grössere Compositionen vornehmen können. Letzten Sonntag Abend's als ich zu Hause Klavier spielte, ging die Thüre auf, und Herr Schmutzer aus Feldkirch überraschte mich mit seiner Gegenwart. Er hatte nämlich sein Violoncello, das sich den Hals gebrochen, zum repariren nach Augsburg gebracht, ging dann nach München herüber, und brachte zwei Violinen mit, um sie hier durch Hr. Prof. Schafhäutl untersuchen zu lassen, von was für einem Instrumentenmacher sie gefertigt wären.

Hr. Schmutzer hatte eine angefangene Sinfonie mitgebracht, um sich darüber mit mir zu besprechen. Montag's und gestern führte ich ihn in der Stadt herum; auch hatte er Gelegenheit, ein Academie-Concert zu hören, wobei ihn das Hof-Orchestre so entzückte, dass er ganz ausser sich war. Montag Abend waren wir bei Oberpollinger, als unvermutheterweise auch Hr. Nagiller daher kam, und sehr überrascht war, Hr. Schmutzer zu treffen.
Das Münchner-Bier schmeckte ihm aber nicht, das in Feldkirch sei weit besser, beonders im "Ochsen"! - Getern trennten wir uns wieder, wobei er versprach, Hr. Briem mit meinen frischen Grüssen nach Vaduz hinaufzuschicken. Nebst dem jungen Briem ist noch ein Schüler Schmutzer's am hiesigen Conservatorium, nämlich ein gewisser "Zürcher" aus Zug. Das ist alles Neue.

Wie geht es Ihnen, Beste Eltern! in unserer neuen Heimath? In welchem Zimmer steht das Klavier? Ich bin schon recht neugierig auf all' das, und hoffe Sie, beste Eltern und Geschwister, in diesem Sommer "daheim" umarmen zu können. In dieser frohen Erwartung verbleibe ich mit den herzlichsten Grüssen Ihr dankschuldiger Sohn

Jos. Rheinberger
Hof-Organist
mit 60fl Gehalt.
Monachium den 4.3.58. Abends 9 Uhr.

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