Josef G. Rheinberger schreibt seinem Vater, dass die geplante Abreise von München nach Liechtenstein verschoben werden muss.


Brief Josef G. Rheinberger an seinen Vater
30.Juni 1858, München


Theuerster Vater !
Ihren lieben Brief vom 22ten erhielt ich am 24ten Juni, und beeile mich nun, ihn zu beantworten. Leider kann ich Ihrem Wunsche, welcher mir immer Gebot ist, nicht ganz entsprechen, indem ich nicht vor, sondern erst nach Mitte Juli nach Vaduz in Ihre Arme eilen kann. Der Hauptgrund ist folgender:
Baron v. Perfall ersuchte mich vor 8 Tagen, ihm von seinem Oratorium "Dornröschen" einen Klavierauszug nach der Partitur zu bearbeiten, und zwar so bald wie möglich. Nun kann ich damit bei meiner anderweitigen Beschäftigung kaum vor dem 20ten Juli fertig werden. Jedenfalls werde ich aber, wenn es Gottes Segen will, Sonntag den 25ten Juli in Vaduz sein, und Ihnen etwa 8 Tage zuvor genau den Tag angeben, wo ich bei der Eisenbahnstation Sevelen aussteige.

Toni schrieb mir am 20ten, Peter am 25ten Juni. Peter meinte, ich solle mit ihm auf den 25ten Juli nach Zürich zum eidgenöss. Sängerfest - was aus obigem Grunde leider unmöglich ist. Ich werde es ihm heute oder morgen schreiben. Dem Toni Dank für seinen Brief. Noch war es mir nicht möglich, einen Ersatzmann für meine Theatiner-sanct-Cajetanshofkirchenorgel zu finden. In Betreff des Conservatorium's noch keine Entscheidung.
Perfall sagte mir neulich, er sei deshalb zum Minister v. Zwehl gegangen. Der Minister kenne meinen Namen von der letztvergangenen Concertsaison noch recht gut. (Doch ist der Minister v. Zwehl ein Freund von Hauser.) Das Nähere dann mündlich. Gehe es wie es wolle. -
Dass Sie Alle, Gottlob! recht wohl sind, freut mich ungemein, sowie, dass ich Sie, Theuerste, Beste Eltern! nach zweijähriger Abwesenheit wieder sehen werde.
Also unsere Orgel wurde reparirt? Konnte nicht viel schaden. Im Übrigen habe ich nicht im Sinne, mich in unsere neu-organisirte Kirchenmusik zu mischen.
Das Mali soll sich nur fleissig auf dem Clavier üben.
Das Unglück der Balzner Müllerin hat mich wirklich ergriffen, und glaube gerne, dass sie, wie mir Toni geschrieben, bald den Verstand verloren hätte.
Die liebe Mutter lasse ich vielmals grüssen, sowie auch alle lieben Geschwister.

Nun, Theuerster Vater! Leben Sie wohl, und erhalten Sie Ihre Liebe Ihrem dankbarsten Sohne
Josef Rheinberger.
München, 30.6.58.

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