Josef G. Rheinberger schreibt an seine Eltern, dass er momentan sehr beschäftigt ist und erzählt vom Münchner Christkindl.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
2. Jänner 1859, München


Theuerste Eltern!
Gerne hätte ich auf Neujahr geschrieben, aber meine, mir immer knapper zugemessene Zeit liess es mir nicht zu. -
Trotzdem sich mein Glückwunsch etwas verspätet, wünsche ich Ihnen herzlichst und innigst Alles Gute, was ein treuer Sohn seinen theuren Eltern nur wünschen kann - damit Gott befohlen! David schrieb mir in seinem letzten Briefe wenig von Ihnen, nicht einmal Grüsse, was mich besonders von der lieben Mutter wunderte, indem "Befohla z'grüatza" eben Bündner-Gebrauch ist. Ich hoffe aber nichtsdestoweniger, dass Sie sich, Theuerste Eltern! immer wohl befinden werden, wie es bei mir Gottlob der Fall ist. Leider habe ich so viel zu thun, dass ich kaum mehr mich etwas ausarbeiten kann. So z.B. habe ich Morgen (Montag) 8 Stunden zu geben und dann noch 7 - 9 Uhr Abends Oratorienverein. So geht es fast immer fort. -
Dem Peter habe ich schon 4 Kochlerjoppen geschickt, und nun bekam ich wieder einen Brief von einem mir unbekannten Weesener-Ingenieur mit Bestellung für 6 Stück Kochlerjoppen. Das nimmt gar kein Ende.
Das Christkindl hat mir heuer werthvolle Musikalien gebracht, aber nicht von Vaduz; das Münchner Christkindl ist also doch das fleissigere. -
Dem David diene zu wissen, dass ein Globus von 2' Durchmesser auf etwa 20 fl zu stehen kommt; in einer hiesigen Buchhandlung sah ich mir einen sehr schönen Globus von ungefähr 1 1/2' Durchmesser an, dessen Preis auf 12 fl käme. Seit vorgestern gebe ich auch bei Graf Arco-Zinneberg Unterricht; weil diese Stunde gut bezahlt wird, habe ich im Sinn, dafür zwei andere Schüler zu entlassen. Doch wäre mir jetzt eine sichere, wenn auch pecuniär unbedeutendere Stellung weit lieber, als das ewige Schulmeistern, welches einem das Leben verleiden könnte, denn es thut mir in derSeele weh, wenn ich meine beste Zeit und Kräfte für andere verwenden muss und immer erst müde und missmuthig mich zu in einen eigenen Arbeiten hinsetzen kann. Genug hievon!
Dem Lisi lasse ich sagen, dass ich am Sylvester-Abend eingeladen war, und Nachts punkt 12 Uhr flott getanzt habe, (das erstemal, seitdem ich hier bin.) -
Perstenfeld's lassen Alle grüssen. Mit meinen Einnahmen steigen meine Ausgaben auch fortwährend; so musste ich in letztem Monat allein 40 fl für Kleider ausgeben. Dem Mali habe ich für Weihnachten Musikalien gekauft, fand aber noch nicht die Zeit, sie zu versenden.
Der Winter ist heuer nicht sehr streng. Es schneit fast nie, aber regnet desto häufiger.
Hat Hr. Doctor Schafhäutl für mich ein Zeugniss geschrieben? Nun weiss ich nichts mehr zu schreiben. Indem ich Ihnen, Geliebte Eltern! nochmals alles Glück und Himmelssegen für das neue Jahr 1859 wünsche, verbleibe ich wie immer Ihr dankbarster Sohn
G.J. Rheinberger.
München, 2.1.59.
P.S. Haben Sie an Hr. Schraml schon geschrieben.

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