Rheinbergers Orgellehrer Johann Georg Herzog ermuntert Rentmeister J.P. Rheinberger seinen Sohn noch ein Jahr zur Ausbildung in München zu belassen, da dieser ein aussergewöhnlich talentierter Schüler sei, was auch die Prüfungskommission festgestellt habe.


Brief Johann Georg Herzog an Rentmeister J. P. Rheinberger


München, den 27. Juni 1853
Hochgeehrter Herr!
Schon lange wollte ich mir die Freiheit nehmen, an Ew. Wohlgeboren einige Zeilen zu schreiben, aber immer wurde mein Vorsatz wieder auf einig Zeit verdrängt.
Ihr Sohn, welcher bei mir Unterricht im Orgelspiel erhält, sagte mir nämlich, dass sein Vater wahrscheinlich die Absicht habe, ihn im nächsten Jahre zu Hause zu behalten. Da mir an diesem höchst talentvollen und bescheidenen kleinen Burschen unendlich viel gelegen ist, so wollte ich hiemit bei Ihnen anfragen, ob es denn gar nicht rnöglich wäre, dass er noch ein Jahr hier sein könnte? Ich an Ihrer Stelle würde Alles aufbieten, denn der kleine Patron verspricht einer der glänzendsten Orgelspieler zu werden, die je gelebt haben. Um aber so weit zu kommen, dass er auf seiner Laufbahn selbständig wird und sich mit Glück und zweifelsloser Festigkeit durch alle Irrsal des musikalischen Lebens hindurch zu winden versteht, braucht er gewiss noch ein volles Jahr tüchtige Leitung. Sehen Sie darum die paar Hundert Gulden nicht an, Sie werden es zu keiner Zeit zu bereuen haben. Bei einer Prüfung in Gegenwart einer Ministerialkommission hat er allgemeines Aufsehen gemacht und sich die persönliche Freundschaft eines der Herren, Prof. Dr. Schafhäutl, erworben, die ihm nur förderlich sein kann. Auch habe ich vor, wenn er im nächsten Jahre fix und fertig ist, mit ihm eine kleine Reise zu machen und ihn als Orgelspieler einzuführen in die musikalische Welt.
Er könnte auch heuer während der Ferien hier bleiben; ich würde mich gerne mit ihm abgeben, damit er seine Zeit gut anwendet!
Ich bitte Sie, hochgeehrter Herr, hierüber um gefälligste Mitteilung.
Euer Wohlgeboren
ergebener
J.G. Herzog, Professor

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