Josef G. Rheinberger verfasst einen Brief an seine Eltern: Die Messe op. II wird zum Namenstage von Mozart überreicht. Einige Schüler des Conservatoriums geben ein Konzert, dessen Direktor Jos. Rheinberger heisst.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
o. O. [vermutlich München]


den 1. November 1853
Theuerste Eltern!
Soeben, wie ich die Feder ergreife, wird an der Thüre geläutet, der Briefträger fragt, ob hier nicht ein 'Joseph Rhbgr' wohne, ich gehe hinaus und sehe eine Schachtel Trauben, wovon mir eine während dem Schreiben sehr gut mundet. Ich danke daher der lieben Mutter und dem Lise diesen, mir so raren Genuss. Nachmittags werde ich einige der schönsten Herrn Prof. Schafhäutl bringen, welcher mich eben so freundlich behandelt wie früher.
Die Messe op. II von mir werde ich Freitags als an seinem Namenstage überreichen. Bisher hatten die Herren Prof. Herzog, Leonhard und Maier die Messe zum Anschauen, welchen sie auch gefiel. Die beste Arbeit ist das Kyrie,.Credo, Sanctus, Benedictus; das Gloria die geringste Arbeit - was ich auch wusste - denn das Gloria gefällt nur Laien am besten. -
Mit Hr. Director kann man nichts reden, weil er nicht weiss, an welchem Tage er abgesetzt wird. -

Hr. Professor Herzog hat einen Ruf als Organist nach Russland bekommen, dem er auch gefolgt wäre, wenn seine Frau gern von hier fortginge. -
Dass Perstenfeld mich um 8 fl gesteigert, wusste ich nicht, bis durch Ihren werthen Brief. -

Bis jetzt spiele ich noch nicht in der Ludwigskirche Orgel, denn Hr. Schafhäutl wünscht, dass ich die Kirchenmusik bei St. Michael höre, welches um dieselbe Zeit ist. -
Heute Abends wird ein Oratorium von Beethoven im Odeon ausgeführt, wohin mich Hr. Prof. auch mitnimmt. -
Diesen Monat stifteten einige der besseren Schüler des Conservatoriums einen kleinen Mozartverein, dessen Direktor Jos. Rheinberger heisst. Es wurde letzten Sonntag, als am Vorabend von Mozarts Namenstag, von uns ein Concert gegeben, wobei ich dirigirte und mehrere Personen eingeladen waren. -
Die nächste Woche werde ich meine Sonate op. III endigen. -
Da der Toni mir nichts sagen lasst, dass er das 2te Buch bekommen, so hoffe ich doch, dass er es erhalten haben wird. Seine Fileten und Stempel werden Donnerstag fertig. Im gleichen Grade wie der Peter die schnelle, habe ich die langsame Kathrina [1]. Malis Stücke habe ich schon gekauft, werde es aber erst schicken, wenn es mir geschrieben.
Weil es jetzt 2 Uhr ist, ich zu Hr. Schafhäutl muss, werde ich mit den Fileten auch noch mehr schreiben.
Ich bin, Gott sei es gedankt, immer gesund u. verbleibe
Ihnen, Theuerste Eltern!
stets dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger, Direktor des Mozartvereins.

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[1] schnelle Kathrina (mundartlich) = Diarrhoe, langsame Kathrina = Verstopfung.