Josef G. Rheinberger informiert seine Eltern über seine schwere Grippe. Er musste auf Auftrag von Hr. Prof. Herzog 3 Orgelstücke komponieren.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern


den 30ten 1.54 [sic]
Theuerste Eltern!
Nachdem ich nun 14 Tage krank war, bin ich Gottlob! wieder so weit, dass ich des Vormittags das Bett verlassen kann, um Ihnen wieder Monatsbericht abstatten zu können. Sonntags den 15ten nach der Kirche befiel mich nämlich Kopfweh, Frost etc., so dass ich mich Mittags niederlegen musste. Ich hoffte, dass es montags wieder vergehen werde, hatte mich aber stark getäuscht; das Kopfweh nahm zu, ich bekam starke Husten, Gliederreissen u. Leibweh - nun wurde zum Doktor geschickt - nun musste ich Pulver und Medizin nehmen und durfte gar nichts essen, sondern musste rein vom Zuckerwasser, Limonade, Tee leben - diese Kur bekam mir so gut, dass ich nun spinnendürr bin und bei meinem ersten Aufstehen bei jedem Schritt zusammenfiel. Die Bedienung war gut, besonders seit dem 17ten, wo die 72 fl eintrafen.
Es freute mich, zu vernehmen, dass alle sich wohl befinden, und ich konnte nicht begreifen, dass Sie, Theuerster Vater! glaubten, Hr. Prof. Herzog sei mir nicht gut. Warum denn nicht? Er hat mich ja so gern, wie sonst - er besuchte mich öfters - oder schickte einige Collegen zu mir, sich zu erkundigen.
Anfangs dieses Monats musste ich mit ihm eine neue, schöne Orgel (in der Franziskanerkirche) von 30 Registern probiren. Auch musste ich ihm 3 Orgelstücke componiren, welche er in ein grosses Werk aufnimmt, welches bald herauskommen wird. -
Hr. Prof. Schafhäutl besucht mich alle Tage, und gab sich alle Mühe, mich zu unterhalten. Hr. Prof. Leonhard ist schon seit Weihnachten krank, eine Zeit lang fürchtete man sogar für sein Leben, jetzt aber ist er ausser Gefahr. - Meine Collegen besuchten mich oft. Seit gestern darf ich wieder Bier trinken und Kalbfleisch essen; jedoch bin ich noch so schwach, dass ich nicht ordentlich Klavierspielen kann.
Gestern wurde der Namenstag des Hr. Direktors musikalisch gefeiert, ich hatte auch etwas einstudirt, aber musste zu Hause bleiben. -
Hr. Prof. Schafhäutl sagte mir, er schreibe Ihnen auch dieser Tage, ich werde ihn beim Wort nehmen.
Indem ich alle lieben Geschwister und die Mutter grüsse, verbleibe ich Ihr dankschuldiger Sohn
Joseph Rheinberger
NB. Jetzt werde ich bald wieder ins Bett müssen, denn ich bin schon müde.
Der Doktor machte mir bis jetzt 12 Besuche.

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