Josef G. Rheinberger schreibt einen launigen Brief in Versen an seine Schwestern. Er freute sich sehr über den letzten Brief der Schwestern.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Schwestern
o.D. [kurz nach dem Fasching 1854], o. O. [vermutlich München]


An Fräulein Elisabeth, geb. Rheinberger!

Cara sorella mia!
sage mir wia
es dir geht!
Ohne dir zu schmeicheln,
ohne nur zu heucheln,
sage ich, dass das Hütchen,
herrlich dir wol'steht.
Deine Neuigkeiten
Aus der Residenz [1]
Und voll Pfiffigkeiten
Was ich ohne Reverenz
Dir nun schreibe hier
ohne erst dafür
den Dank abzuwarten
(Sag, ob mein Gedicht nicht
wie ein Messer ohne Scharten
schneidt und sticht?)
Solche Verse machen,
Ei! ist's nicht zum Lachen
da die Rippen krachen?
Solche närrische Sachen
schreibet man im Schlaf
und nicht im Wachen,
nun, um kein Schaf,
sondern dein Bruder zu sein
schreib in Prosa ich
dies Brieflein fein!!?!:
All die weilen was massen
Euer Liebden Brief mich
der gestalten inniglich
gefreuet, dass ich denselben sothan gelesen, wie-
derumb gelesen, und noch=
malen (notabene!) zum
drittenmale (nicht) gele-
sen, was hiemit Euch kund
gethan, und, um ohne Umb-
schweife zu reden, Euer
Liebden mit Rehspeck zu mel-
den, das Ganze sodann in
forma eines (sozu=sagen)
Briefes eingekleidet,
(auf lateinisch:) merket
auch diess dictum, cacatum
non est pictum; um endlich
darauf zu kommen (venire)
Ew. Liebden diese (hic, haec,
hoc) Antwort in forma eines
geschriebenen, sogenannten
Schreib=Briefes zu übersenden.
(Hier wird das Blatt umgekehrt,
das folgende klingt nicht so
gelehrt:)
Vice versum.
Dass Du zur Faschingszeit so viel getanzt, macht Dir Ehre
    "    ich  "               "          " wenig   "            " mir      "
Wie geht es dem Hannimaxentiabarmherzlosigeschwester?
Was macht  Amaliamatscherliclaviersowenigspielendeschwesterli?
   "        "     Antonbuchbinderbücherempfangenhabendebruder? " "
   "        "     Davisancelistthalerversendendesallerliebstesbrüderlein? " "
   "        "     Seffagernbücherlesendemirsoviel Strümpfestrikkendeschwester?
und "    "     LisigernfassnachttanzendeaberdieRechnungohne                    denWirthgemachthabendeschwester?

Wenn Du das Alles beantwortest, hast Du Stoff zu einem so/langen Brief/.
Da ich jetzt nichts mehr weiss, schwarz, blau, grün, gelb,
so verbleibe ich
Dein, mein, sein unser und Euer Bruder
r e g r e b n i e h R s o J,
nicht Schellenberger, den so und so vielten, Müüüünchen.

Liebes Mali!
Ich habe Dir schon lange nicht mehr geschrieben, dess- wegen schreibt Dir diesen grossen Brief,
Dein auf Antwort harrender Bruder
Josef Rheinberger
(Das Übrige steht auf der andern Seite:) ………

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[1] Residenz = Vaduz