Franz Bonn, der Textdichter für „Die sieben Raben,“ gratulierte Jos. Rheinberger zu der Oper und lädt ihn nach Ansbach ein, um allenfalls notwendige Korrekturen zu besprechen.


Brief an J.G. Rheinberger


Ansbach, den 22. Juli 1863.
Lieber Herr Rheinberger!

Eben war ich von einer Rheinreise zurückgekehrt, als ich Ihren erfreulichen Brief vom 12. l[aufenden] M.[onats] erhielt, aus dem ich mit grosser Freude ersah, dass die sieben Raben ihre musikalischen Flügel erhalten haben und zum Fluge durch die Welt bereit sind. Gleichzeitig erhielt ich einen Brief von Perfall [1], der Ihre Composition für entschieden gelungen erklärt und mir dazu Glück wünscht. Es hat mich diese Mittheilung Perfalls um so mehr gefreut, als er selbst die 7 Raben, nachdem ich Ihnen bereits den Text gegeben hatte, lebhaft wünschte. Wenn dagegen Lachner nun in anderer Tonart spricht als vor einem Jahre, so wundert das mich gar nicht, da ich in dieser Angelegenheit diesen Herrn genugsam kennen gelernt habe. Sie werden sich wohl durch das Urtheil dieses - ich enthalte mich jeder Bezeichnung - nicht irre machen lassen, er fürchtet wohl nichts als die Aufführung in München. Hoffentlich denken Sie mit mir gleich, dass es besser ist, die 7 Raben zuerst auf einer fremden Bühne fliegen zu lassen. Der Herr Generaldirektor ist ja nicht Generaldirektor in ganz Deutschland!
Dass Sie München schon Anfangs August verlassen, thut mir leid, da ich erst Ende August nach München kommen werde und wir uns also nicht sehen können. Ich mache Ihnen daher den Vorschlag: Kommen Sie lieber zu mir nach Ansbach. Die Reise ist mit der Bahn in 6 Stunden zurückgelegt. Ich und meine Frau, die Sie bestens grüssen lässt, laden Sie ein, bei uns als Gast einige Tage zu weilen und zu wohnen. Wir spielen dann die Oper durch, ändern was zu ändern ist und machen Alles fix und fertig. Ich freue mich sehr darauf und bitte Sie, diesen Vorschlag nicht zu verwerfen. Wenn Sie meinen Text wirklich liebgewonnen, so werden Sie auch dem Dichter so gut sein, dass Sie mir diese herzliche Bitte nicht versagen. Ausserdem würden wir uns wohl lange, lange nicht sehen und sprechen können und über Abänderungen correspondiren ist so lästig und unzweckmässig, dass ich dazu aufrichtig keine Lust verspüre. Im Kreise meiner Familie und Freunde soll Ihnen die Zeit nicht lange werden und die Reisekosten sind ja unbedeutend. Also Sie kommen mit Ihrer Partitur zu mir und mag dann Herr Lachner sehr oder nicht sehr dagegen sein, der Geist der Poesie, die im Stoffe liegt, die Kunst Ihrer gelungenen Composition und der Himmel, dem ächte Künstlerseelen lieber sind als alte, hartgesottene Feinschmecker und Intrigantennaturen, werden dem Werke Anerkennung verschaffen.

In der freudigen Hoffnung, dass Sie baldigst durch ein paar Zeilen den Tag Ihrer Ankunft mir kundgeben und also über Ansbach nach Vaduz reisen, grüsst Sie herzlichst

Ihr
ergebenster Freund
Franz Bonn.

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[1] Perfall = Karl, Freiherr von Perfall (1824 - 1907). 1854 gründete P. den Münchner Oratorienverein und leitete ihn bis 1864, wo er zum Hofmusikintendanten ernannt wurde. Ab 1867 hatte er auch zusätzlich die Intendantur des Königlichen Hoftheaters inne. - Die Gründe für die Ablehnung der Oper "Die sieben Raben" in München sind offensichtlich nicht zuletzt bei Franz Lachner zu suchen.