J.G. Rheinberger wünscht seinen Eltern und Geschwister ein schönes neues Jahr, under er fragt wie es allen geht. Er hat nicht viel über sein Leben zu erzählen.


Brief an die Eltern
29. Dezember 1863, München

Theuerster Vater!
Vor Allem wünsche ich Ihnen, sowie all den lieben Unsrigen des Höchsten Glück und Segen zum neuen Jahr. Wenn wir dasselbe vertrauensvoll antreten, so wird diess unsere Kraft stärken, es auch glücklich zu beenden, wie so viele der vorausgehenden Jahrgänge. Hat uns, und vorzüglich Ihnen, Bester Vater! der liebe Gott auch nicht immer die Lichtseite des Lebens gezeigt, so hat er uns doch anderseits sein Bestes, thatkräftige Gesundheit nicht vorenthalten, wofür wir Ihm nicht genug dankbar sein können.

An uns, Ihren Kindern ist es vorzüglich, Gott zu danken, dass er uns unsere theuern Eltern bis ins hohe Alter gesund und frisch erhielt - möge er diess auch ferner thun! Wenn ich auch schon seit vielen Jahren dem väterlichen Hause ferne war, so blieben mir doch die elterlichen Herzen die wahre Heimath - und wenn es mir auch von je her nicht gegeben war, darüber viele Worte zu machen, so fühlte ich es, seien Sie dessen versichert, es nur desto lebhafter. Gottes Segen über Sie, Theuerste Eltern! wir hatten und haben in Ihnen Vieles vor Andern voraus, denn wir danken Ihnen auch ein geistig tüchtiges und einträchtiges Leben! Nöge es so bleiben in neuen Jahren!

Mein Leben in München ist ziemlich einförmig; es ist darüber nicht viel zu berichten. Wenn ich auch viel zu thun habe, so ist mir doch die rastlose Thätigkeit zur andern Natur geworden - so dass ich jede Unterbrechung hasse. Über Annahme oder Nichtannahme meiner Oper an hiesiger Hofbühne werde ich bis langstens drei Wochen berichten können; im erstern Falle würde sie, wie mir der kgl. Intendant selbst sagte, im nächsten Herbst gegeben werden. Ich kann nichts thun, als ruhig das Resultat abwarten - Ungeduld führte zu Nichts.

Wie ich zu meiner grössten Freude erfuhr, geht es mit Lisi's Gesundheit nun entschieden besser; sie soll sich recht schonen, damit sie wieder so rothbackig und dick wird, wie sie war. Mali ist wohl auf und lässt Alle grüssen und 'guatjohr wüscha'.

Mein nächster Brief wird dem Peter gelten, er soll sich die kurze Zeit noch gedulden. Bekommt er schon bald eine Wiege? Die liebe Schwägerin lasse ich herzlich grüssen: sie soll den Peter nur nicht verzärteln, denn das passt sich für einen rauhen Kriegsmann nicht. Die Vaduzer politisiren viel - sogar in der süddeutschen Zeitung las ich davon. Hier verschlingt die Politik ebenfalls Alles andere. Östreich hat sich unglaublich verhasst gemacht; man darf den Namen kaum nennen.

Hat unser Goliath (David wollte ich sagen) Herrn Pf. Wolfinger endlich geschrieben? David Alles Schöne zu seinem sylvestrigen Namenstag - ich werde am St. Davidstag eine Halbe auf sein spezielles Wohl trinken.

Was macht Meister Anton auf seiner Burg Malepartus? Brummt er noch, wenn man zu ihm hinaufgeht? Ich wünsch ihm ein glückliches neues Jahr, den Kreuzer dafür kann er mir bei Gelegenheit schicken.
Die Vaduzer Zeitung [1] kommt unregelmässig, es bleibt hie und da eine Nummer aus, doch ist das nicht mein grösster Kummer! Prof. Maier ist gegenwärtig in Karlsruh. In einer alten Scharteke der Hofbibliothek entdeckte er letzthin den einzigen 'Reinperger', der in München je vorkam, und schrieb ihn für David aus. Beiliegend.
Nun theuerste Eltern! behalten Sie uns im Herzen im neuen wie im alten Jahr - damit Gott befohlen!

Ihr dankbarer Sohn

G. J. Rheinberger.

M. den 29.12.63.

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[1] Vaduzer Zeitung = "Liechtensteinische Landeszeitung" Am 12. April 1863 wurde durch einen "Verein patriotischgesinnter Manner" erstmals eine "Liechtensteinische Landeszeitung" herausgegeben. Das Blatt erschien "in der Regel monatlich 3mal".