Die "Bayerische Zeitung" berichtet über die Oratorienverein, die J.G. Rheinberger geleitet hat.


Zeitungsartikel "Bayerische Zeitung"
15. Dezember 1864, München

Das am 5. Dec. vom Oratorienverein unter der Leitung des Herrn Prof. Rheinberger gegebene Concert gehört zu den schönsten Leistungen des Vereins. Die Chöre erfreuten durch präcise und schwungvolle Ausführung und die Solopartieen entsprachen allen Anforderungen. Philipp Em. Bach's Oratorium 'die Israeliten in der Wüste', das mit Kürzungen gegeben wurde, gewährte, abgesehen von den Schönheiten des Werkes, hauptsächlich kunsthistorisches Interesse, insoferne jener Oratorien-Styl, den wir in Haydn's Schöpfung in seiner vollen Entfaltung sehen, hier im ersten Keime zu Tage tritt. Mendelssohns 'Hymne für Aitsolo und Chor' (op. 96) ist wohl im Ganzen recht wohlklingend, dennoch ist auch sie von jener pietistischen Süsslichkeit nicht freizusprechen, welcher Mendelssohn so gerne huldigt, und die auf dem Gebiete des Kirchenliedes ihr Pendant in den 'geistlichen und lieblichen Liedern' des Grafen Zinzendorf finden dürfte.

Den Schluss machte ein Stabat mater [1] für Solo und Chor von J. Rheinberger, eines der schönsten Werke, welches die neueste Zeit in dieser Richtung aufzuweisen hat. Ausgezeichnet durch breite Anlage und edle Klangwirkung reicht es in seiner reichen Polyphonie an die Meisterwerke der altitalienischen Schule.

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[1] stabat mater = op. 16