Die "Niederrheinische Musikzeitung" berichtet über die Änderungen am Conservatorium.


Bericht von "Niederrheinische Musikzeitung"
o. D [Mitte 1865], München


Das hiesige Conservatorium für Musik hört mit dem 1. August d. J. auf, in seiner bisherigen Gestalt zu bestehen, und es wird nun zur Reorganisation desselben geschritten werden nach dem Plan, der von einer hierzu gewählten Commission nach den Vorschlägen R. Wagners ausgearbeitet worden ist. Über die darauf bezüglichen Berathungen und Beschlüsse theilte die 'Bayerische Zeitung' unlängst Folgendes mit: 'Von einer Reducirung der Anstalt auf eine blosse Gesangschule wurde Umgang genommen und vielmehr die Ansicht zur Geltung gebracht, dass die bestehende Anstalt aufrecht zu erhalten, aber von Grund aus zu reformiren sei. Das Conservatorium ist Staatsanstalt und aus Staatsmitteln dotirt, es soll daher nicht ein Conglomerat von einzelnen Musikstunden sein, um junge Leute im Geigen, Singen, Clavierspielen usw. zu unterrichten, was der Privat-Betriebsamkeit anheim gestellt wird, sondern der Staat soll bei der Musik, wie ganz ähnlich bei der bildenden Kunst, Sorge tragen, dass eine organische, künstlerisch-wissenschaftliche Gesammtbildung auch dem praktischen Tonkünstler durch eine höhere Unterrichts-Anstalt dargeboten werde, weil es die Privatlehrer eben nicht zu einem solchen planvollen Zusammenwirken der verschiedensten Kräfte bringen können. Das Conservatorium hat demnach auch die praktische Aufgabe, nicht nur tüchtige Künstler für Theater und Concert, sondern auch einen ausgezeichneten Stamm von Musiklehrern, von Dirigenten für die Vereine, von guten Organisten und Chorsängern für die Kirche heranzubilden und somit befruchtend auf das musikalische Volksleben des ganzen Landes zu wirken'. (ist das denn etwas Anderes, als was jedes wirkliche Conservatorium zum Zwecke hat?) Die ganze Anstalt soll daher nach den beabsichtigten Erweiterungen des Organismus in drei Schulen zerfallen.

1. Gesangschule: obligatorisch die Chorgesangschule; Specialfächer: Sologesang, dramatischer Vortrag und theatralische Darstellung.

2. Instrumentalschule: obligatorisch der elementare Clavier-Unterricht; Specialfächer: Clavier, Violine, Viola, Violoncell in der höheren Ausbiidung für den Künstler- und Lehrberuf; Orgel mit Studium des Orgelbaues für die kirchlichen Bedürfnisse, wie für den Concert-Vortrag.

3. Theoretische Schule: a) Harmonielehre (obligatorisch), Contrapunkt, Formenlehre und Instrumentation; b) Geschichte der Gesangmusik und Geschichte der Instrumentalmusik. Das gesammte Lehrer-Personal soll im Allgemeinen besser honorirt werden, als es bisher geschehen konnte, namentlich aber die vier Hauptlehrer so gestellt werden, dass sie ihr Lehramt am Conservatorium als ihren Hauptberuf erfassen können und sollen. Dem bisherigen provisorischen Vorstande, Herrn Priesterhaus-Director Nissl, wurde für seine umsichtige Besorgung der Directorial-Geschäfte während des ganzen Schuljahres von Seiten des Cultus- Ministeriums besondere Anerkennung ausgesprochen.

______________