Hans von Bülow gibt Rheinberger einige Ratschläge über seine Klavierstücke.


Brief Hans von Bülow an J.G. Rheinberger
7. März 1866, München

Sehr geehrter Herr!

Ich danke Ihnen bestens für Ihre freundliche Aufnahme meines guten Willens betreffs Ihres op. 5 und Ihre Nachricht. Die Fuge hätte besser gespielt werden können, wie ich das schon mehrmals an mir selber erlebt habe. Aber die grosse Hitze im Saale hatte das Instrument feucht gemacht und da ist es dann unmöglich, die wünschenswerthe Präzision in Anschlag und Schattirung zu Stande zu bringen.

Ihre Toccata [1], die Sie so liebenswürdig waren mir zu senden, gefällt mir ganz ausnehmend. Das ist Scarlatti redivivus, d. h. Scarlatti im frischesten Gewande, ein Scarlatti, der Bach und Beethoven erlebt hat. Ich freue mich darauf, sie hier zu spielen, sobald Gelegenheit dazu wieder vorhanden. Freilich wäre es dann gut, wenn sie schon veröffentlicht wäre. Ich denke Breitkopf und Härtel werden keinen Anstand nehmen. Vielleicht könnte die Mittheilung meines gestrigen Programms diese Verleger erwerbslustig machen.

Das würde ganz ausserordentlich erfreuen Ihren

in vollkommener Hochachtung ergebensten

H. v. Bülow.

München, 7. März 1866.

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[1] Toccata = Toccata op. 12, Hans von Bülow gewidmet; komponiert 27.11.1865, im Druck erschienen 1867