Ferdinand Thierot nachträglich gratuliert J.G. Rheinberger zu seiner Verlobung und Hochzeit. Er erzählt ihm Neuigkeiten, insbesondere dass seine Symphonie gut bei den Leipziger angekommen ist.


Brief an J.G. Rheinberger


Leipzig, 22. Apr. 1867
Geehrter Herr Professor!
Seien Sie mir bitte nicht gram, dass ich jetzt erst, so spät, dazu komme, Ihnen meinen Glückwunsch zur Verlobung und demnächstigen Hochzeit darzubringen. Ihr hiesiger Verleger, Herr Fritzsch, hat es mir schon vor einiger Zeit gesagt, ich konnte aber bis dato nicht dazu kommen, so stark hatte ich mit den conventionellen Besuchen zu kämpfen. Ich hoffe und wünsche so recht von Herzen, dass Sie so glücklich werden, wie Sie es verdienen, und in der Ehe die Anregung finden möchten, die Sie so recht freudig in unserer Kunst schaffen und wirken lässt.-
Ihre Wallenstejn-Sinfonie hat hier ausserordentlich viel Freunde und Anhänger gemacht; die wirklich dumme und abgeschmackte Recension in den Signalen [1], die ich in Ansbach las und die mich ausserordentlich verdross, hat hier nicht den mindesten Boden gefunden und beschränkt sich wohl nur auf Herrn Bernsdorff [2] allein. Den Musikern, die ich sprach, haben Sie sehr durch Ihr Werk imponirt, und das ist doch die Hauptsache.
Wie steht es mit Ihrem Stabat in Hamburg, haben Sie kürzlich Nachricht von Garvens erhalten? Von meiner Familie habe ich lange nichts darüber gehört. Dem Herrn Bernuth [3] hier habe ich von Ihrem Stabat und Requiem erzählt, und er hat sich beide Werke sofort aufnotirt. Wahrscheinlich geht er nach Hamburg, wohin er einen Ruf an Stockhausen's Stelle [4] als Dirigent der Philharmonischen Concerte erhalten hat. Sollte er sich dazu entschliessen, würde ich ihm an Ihrer Stelle sofort schreiben in Bezug ihrer Wallenstein-Sinfonie. Bernuth ist ein rastlos thätiger Mann, der sich hauptsächlich dadurch auszeichnet, dass er neuen, guten Componisten Bahn brechen hilft.Er dirigirt die Euterpe-Concerte bekanntlich und leitet die Gesang-Akademie, die früher Rietz dirigirte. […]
Leben Sie recht wohl, geehrter Herr, und gestatten Sie mir, dass ich mich ferner nenne
Ihr Sie hoch verehrender Schüler Ferdinand Thieriot.

 

 

 

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[1] ... in den Signalen = "Signale für die musikalische Welt" (Begründet von Bartholf Senff). Die "Signale"erschienen in Leipzig von 1843 (1.Jg.) bis 1941 (99.Jg.).
[2] Herrn Bernsdorff = Eduard Bernsdorff (1830 - 1901), Kritiker bei den "Signalen für die musikalische Welt".
[3] Herrn Bernuth = Julius Bernuth (1830,- 1902), Dirigent der "Euterpe-Konzerte" in Leipzig.
[4] ... Ruf an Stockhausen's Stehle = Julius Stockhausen (1826 - 1906), Bariton und geschätzter Gesangspädagoge; dirigierte von 1862 - 1867 die philharmonischen Konzerte und die Singakademie in Hamburg.