Konkursordnung


Concurs-Ordnung für das souveräne Fürstenthum Liechtenstein
vom 1. Januar 1809 

Wir Johann Joseph Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein, Herzog zu Troppau und Jägerndorf in Schlesien, Graf zu Rittberg, Ritter des goldenen Vliesses, und Grozkreutz des militärischen Marie Theresien-Ordens, Sr. Kaiserl. Königl. Apostol. Majestät wirklicher Kämmerer, General der Kavallerie, Innhaber des siebenten k.k. Husarenregiments, Commendant der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien und commandierender General in Oesterreich ob- und unter der Enns, dann Salzburg etc. etc.

Um ein den dermaligen Zeitumständen und Verhältnissen angemessenes Sistem bey Krida- und Concurs-Verhandlungen herzustellen, verordnen Wir in Ausübung der Souverainitäts Rechte unseres Sohnes Herrn Fürsten Karl wie folgt.

1. §

Der Concurs ist in folgenden Fällen zu eröffnen:

Wenn jemand sich unvermögend erklärt, seine Schulden zu bezahlen.

Wenn jemand stirbt und der gegen Errichtung der Inventur erklärte Erbe in Beziehung auf das Verlassenschafts-Vermögen oder aber in Abgang eines Erbens der Verlassenschafts-Curator die Anordnung eines Concurses ansucht.

Gegen jenen Schuldner, der von einem oder mehreren Gläubigern zusammen genommen bereits durch ein Jahr lang arrestirt worden, sobald gegen ihn neue Exekuzions-Führungen vorkommen.

2. §

Der Konkurs erstrecket sich auf das sämmtliche im Lande befindliche beweg- und unbewegliche Vermögen, worunter auch die, wenn gleich ausser Landes anliegenden Capitalien gerechnet werden, keineswegs aber auf ein in fremden Landen liegendes unbewegliches Gut.

3. §

Wenn ein oder mehrere Gläubiger die Eröffnung des Concurses begehrten und es wäre nicht offenbar, dass ihr Begehren ohne Grund und zur Kränkung des Schuldners sey, soll zur Untersuchung auf die kürzeste Zeit eine Tagsatzung angeordnet und dem Schuldner aufgetragen werden, dass er entweder die klagenden Gläubiger bedecke oder seinen Vermögens- und Schuldenstand verfasse und zur Tagsatzung mitbringe.

4. §

Wenn der Schuldner seinen klagenden Gläubiger nicht bedeckt, bey der Tagsatzung nicht erscheint, seinen Vermögens- und Schuldenstand nicht mitbringt oder die Möglichkeit der Gläubiger-Befriedigung nicht darthut, ist der Concurs ohne weiters zu eröffnen.

5. §

Die Eröffnung des Concurses geschieht durch das Edict, welches zur Einberuffung der Gläubiger ausgefertigt wird, und vom Tage der Kundmachung desselben ist er für eröffnet zu halten; sohin darf gegen alle Verschuldeten von diesem Tage an nicht mehr gerichtlich verfahren, sondern alle anhängige Streitsachen müssen zum Concurse verwiesen werden.

6. §

Da ein Concurs eröffnet wird, sollen

alle jene, welche eine Forderung an den Verschuldeten haben, durch öffentliches Edict mit dem Beysatze vorgefordert werden, dass sie ihre Forderungen bis zu einem bestimmten Tage um so sicherer anmelden sollen, als sie in widrigen von dem vorhandenen Vermögen, in so weit es die Concurs-Gläubiger erschöpfen, abgewiesen seyn würden. Dieser Tag soll genau bestimmt werden und nie unter einem und nicht über 6 Monathe hinausgehen.

Muss das Vermögen des Verschuldeten in die gerichtliche Sperre genommen, beschrieben und geschätzt, jene Sachen hingegen, deren Unterhalt entweder Kosten verursachte oder die dem Verderben unterliegen würden, sogleich veräussert werden.

So wie die Gläubiger sich anmelden, soll mit ihnen gehörig liquidirt werden und sind keine andere Forderungen als liquid anzunehmen als jene, die gerichtlich bewiesen vorliegen, wobey das bey Eröffnung des Concurses und nach denselben erfolgte Geständniss des Cridarii nur einen halben Beweis wirkt.         
In geringern, nicht verwickelten Fällen kann diese Liquidirung blos allein vom Amte, das die Concurs-Massa zu vertreten haben würde, vorgenommen werden; wenn aber beträchtliche Concurs-Verhandlungen vorfallen, dann ist auf Kosten der Massa ein Vertreter aufzustellen.

Nach verstrichenen Liquidations-Termine soll zwischen den Gläubigern ein Vergleich versucht und das Concurs-Geschäft wo möglich in Güte abgethan werden.

Zeigt sich aus den vorgelegten Unglücksfällen des Cridarii, dass diese seine Güter-Abtretung nicht zureichend rechtfertigen, geht ihm also entweder eine muthwillige Verschwendung oder eine arglistige heimliche Vorenthaltung des Vermögens oder der Umstand zur Last, dass er einen oder mehrere Gläubiger zum Nachtheil der anderen bedecket, oder bezahlt hat, so ist er in ämtliche Untersuchung zu ziehen und nach dem Verhältnisse des den Gläubigern zugefügten Schadens zu betrafen, das etwa verheimlichte Vermögen aber ohne weiters zur Massa einzuziehen.

7. §

Die Gläubiger sollen ihre Anmeldungen in Gestalt einer förmlichen Klage gegen die Concurs-Massa entweder schriftlich einbringen oder mündlich zu Protokolle geben und darinn zugleich die Klasse, in die sie gesetzt zu werden vermeinen, auch die rückständigen Interessen angeben, die jedoch nur auf 4 Pct. zu bestimmen und zuzuerkennen sind, über welche, wenn die Krida nicht durch Vergleich abgethan wird, so wie bey jeder andern Strittsache fürzuschreiten ist.

Uiber diese Klagen ist eine genaue Vormerkung zu halten, um bey der Klassifikation und Vermögens-Vertheilung keinen Gläubiger zu übergehen.

8. §

Wann das Liquidations-Verfahren geschlossen ist, soll die Klassifikation der sämmtlichen angemeldeten Gläubiger abgefasst und gehörig kund gemacht werden.

9. §

Vor allen Gläubigern sind zu setzen:

Welche ihr eigenthümliches bewegliches oder unbewegliches Gut, so zur Zeit des eröffneten Concurses in der Massa annoch unverwendet gefunden worden ist, zurückfordern.

Jene, welche nach eröffneten Concurse für die Massa selbst etwas verwendet oder für selbe gearbeitet haben.

10. §

In die erste Klasse sind zu setzen.

Alle entweder aus dem Unterthanns-Bande oder aus Verträgen oder Darlehen entspringende wie immer Namen habende Landesherrliche Forderungen ohne Ausnahme, sie mögen aus welch immer für einen Titel herrühren.

Die zur Begräbnisse des Verschuldeten nothwendigen Unkosten.

Die Hausgenossen, welche um Kost oder Lohn oder um beydes zugleich dienen, mit ihrem von dreyen Jahren her rückständigen Liedlohne von der Eröffnung des Concurses zurück rechnend.

Aerzte und Wundärzte und Apotheker mit dem, was sie von einem Jahr her an den Verschuldeten für ihre Bemühungen und abgegebene Arzneyen zu fordern haben.

Rauchfangkehrer mit ihrem von einem Jahre her entspringenden Verdienste.

11. §

In die zweyte Klasse sind zu setzen, welche auf das Vermögen des Verschuldeten ein Pfandrecht erwirkt haben nach Massgabe der Zeit, da sie das Pfandrecht erhalten haben, jedoch nur in Ansehung desjenigen Gutes, welches ihnen verpfändet ist, sowohl mit dem Kapital als auch mit denen durch drey Jahre her vor ausgebrochenem Concurse verfallenen Zinsen.

12. §

In die dritte Klasse gehören:

Waisen oder jene, die ihnen gleich gehalten werden, falls sie mit keinem Pfandrechte dedecket sind, wenn der Cridarius ihr Vogt, Vormund oder Güter-Verwalter gewesen wäre.

Das Eheweib des Verschuldeten in Rücksicht des wirklich zugebrachten und einsweilen nicht etwa zurückgestellten Heurathsgutes wie auch der Wiederlage, soweit diese den Betrag des verschriebenen Heurathsgutes nicht überschreitet, wenn die Forderungen mit keinem Pfandrechte bedeckt wären.

Gemeinden mit denen von Cridarius dahin schuldigen Rückständen oder Vorschüssen.

Forderungen der innländischen Handwerker, Kommerzialisten und Fabrikanten, welche in dem letzten Jahre vor entstandenen Concurse entstanden sind.

Alle diese Gläubiger haben, wenn das Vermögen nicht erklecklich wäre, sie insgesammt zu befriedigen, ohne einiges Vorrecht unter sich zu geniessen ihre Abschlags-Zahlungen lediglich nach dem Verhältnissen ihrer Forderungen zu empfangen.

Hinsichtlich der Zinsen ist jenes zu beobachten, was in vorhergehenden § gesagt worden ist.

13. §

In die vierte Klasse sind alle übrigen Gemeingläubiger zu setzen; alle die haben an dem überbleibenden Vermögen nach dem Verhältnisse ihrer Forderungen sammt dreyjährigen Zinsen ohne Unterschied Theil zu nehmen.

14. §

In die fünfte Klasse gehören die Zinsen, denen nicht gleiches Vorrecht mit denen Kapitalien eingeräumt worden ist.

15. §

In die sechste Klasse endlich sind zu setzen jene, welche aus einer blos wohlthätigen Handlung des Verschuldeten zu fordern haben, ohne Unterschied nach dem Verhältnisse ihrer Forderungen.

16. §

Den Gläubigern sollen zwar nach eröffnetem Concurse die Interessen fortlauffen, es sind ihnen aber nicht jene Unkosten zuzuerkennen, welche sie zur Liquidierung ihrer Forderungen verwendet haben.

17. §

Denen Unterthanen auswärtiger Staaten soll in Rücksicht ihrer Forderungen gleiches Recht wie den Innländern ertheilt werden, es wäre denn, dass die Forderungen einen Unterthan eines solchen Staates betreffe, worinnen den Unterthanen dieses Landes nicht gleiches Recht mit eigenen Unterthanen ertheilt wird.

18. §

Wieder den über die Liquidität geschöpften Spruch stehet dem grawirten Theile das Recht der Appellation offen, wider die Klassifikazion hingegen kann nicht appellirt werden, sondern jenen klassifizirten Gläubigern, welche vermeinen, dass sie in eine bessere Klasse hätten gesetzt werden sollen oder welche einem anderen sein Vorrecht zu bestreiten suchen, liegt ob, ihre Vorrechts-Klage nach geschöpfter Klassifikazion binnen 30 Tagen bey Amte anzubringen.

19. §

Jene, welche in dem Edictal-Termine ihre Forderung nicht angemeldet haben, sind nicht mehr zu hören, wenn ihnen auch ein Compensations-Recht gebührte oder wenn sie auch ein eigenthümliches Gut zu fordern hätten oder wenn ihre Forderung vorgemerkt wäre, wenn sie also in die Massa schuldig wären, müssen sie ungeachtet ihres nicht angemeldeten Rechtes diese Schuld bezahlen.

20. §

Uiber eine Vorrechts-Klage ist wie über jede andere Klage zu verfahren.

21. §

Wenn der Wichtigkeit der Massa wegen ein Vermögens-Verwalter aufgestellt worden, hat dieser die ihm anvertrauten Concurs-Güter wie ein guter Hausvater zu besorgen, alle Baarschaften und Kostbarkeiten in die gerichtliche Verwahrung zu geben, die Forderungen der Massa einzutreiben, um Veräusserung der dem Verderben unterliegenden Sachen einzuschreiten und alles mit gerichtlicher Genehmigung zu veranlassen, was einen Schaden der Concurs-Massa abzuwenden vermag.

22. §

Zum Vertreter und Verwalter der Massa ist jener zu wählen, den die Gläubiger in Vorschlag bringen, könnten sie sich aber darüber nicht vereinigen, so hat das Amt einen von den in Vorschlag gebrachten zu bestättigen.

23. §

Alles Concurs-Vermögen muss meistbiethend feil gebothen werden und was nicht bey der ersten, zweyten oder dritten Feilbiethung wenigstens um die Schätzung angebracht werden kann, ist unter derselben ohne Zustimmung der Gläubiger nicht zu veräussern, sondern ihnen im Schätzungswerthe auf Abschlag ihrer Forderungen einzuantworten, nur jene Güter, die dem Verderben unterliegen oder deren Unterhalt ohne einen Nutzen viel kosten würde, können auch bey der ersten Feilbiethungen unter der Schätzung veräussert werden.

24. §

Wer aus der Massa ein liegendes Gut an sich gebracht hat, dem soll darüber die erforderliche Eigenthums-Urkunde ertheilet werden.

25. §

Wenn das Vermögen entweder ganz oder zum Theile in Richtigkeit und die Klassifikation rechtskräftig ist, soll die Vertheilung entworfen, den Gläubigern intimirt und ihnen die Einsicht beym Amte gestattet werden.

26. §

Welcher Gläubiger gegen diese Einwendungen zu machen hat, hat sie binnen 14 Tagen nach geschehener Intimation beym Amte anzubringen, über die nach vorläufiger Vernehmung der Gläubiger entschieden werden muss.

27. §

Nach rechtskräftiger Vertheilung ist die Zahlung gegen Quittung einzuleiten, von jenen, die ihre Zahlung ganz erhalten, die Schuld-Urkunden abzufordern, auf jenen aber, die nur Theil-Zahlungen empfangen, diese abzuschreiben, die Urkunden selbst aber den Gläubigern zubelassen.

28. §

Jener Betrag der binnen 3 Monaten nicht erhoben wird, ist ad depositum zu erlegen, die Concurs-Acten zu adjustiren, zu hinterlegen und der Concurs als beendigt zu erklären.

29. §

Kömmt in der Folge der Kridarius zu neuen Mitteln, so können die unbefriedigt gebliebenen Gläubiger hierauf allerdings mit gerichtlicher Bewilligung greifen, nur sind dann demselben die nothwendigsten Leibes-Kleider und Handwerkszeug beyzubelassen.

30. §

Die Concurs-Verhandlungen selbst und das Anmelden einer nicht 50 fl. übersteigenden Forderung sind Tax frey, dagegen sind bey sämmtlichen Anmeldungen von den Gläubigern die für die Streitsachen vorgeschriebenen Taxen abzunehmen.

Wien, den 1. Jäner 1809.

Johann, Fürst von und zu Liechtenstein.

L.S.

Theobald von Walberg. Hofrath.

Nach Sr. Durchlaucht höchst eigenen Befehle.

Georg Hauer, Hofrath

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