Johann Mayer schreibt an Josef G. Rheinberger aus Wien. Er lobt Rheinbergers Kompositionen und berichtet er über das Konzertprogramm in Wien.


Brief Johann Mayer an Josef G. Rheinberger
1. April 1867, Wien


Mein hochgeschätzter Freund.
Bald hätte ich geglaubt, dass Sie mich u. Kreuth, und alle die angenehmen Erinnerungen ganz vergessen haben, die mir durch den Briefwechsel mit Ihnen immer werthvoller werden.
Da Sie zur Erkenntniss des Guten gekommen sind, so ist Ihnen gerne verziehen, denn ich machte mir schon Vorwürfe, Sie vielleicht in einem meiner Brief e unbewusst beleidigt zu haben oder Ihnen gar lästig zu fallen. Dass dem nicht so ist, beweisen mir Ihre lieben Zeilen, die mir ein wahres Kleinod werden.
Ich glaube, Sie nicht erst versichern zu müssen, dass ich den innigsten, wärmsten Theil an Ihren Erfolgen nehme, u. mich glücklich schätze, zu jener Zeit in Leipzig gewesen zu sein. Ich las zwar nur kurze Berichte, aber diese genügten schon, mir einen Begriff der Grossartigkeit der Composition zu machen, und bin ich hochgespannt dieselbe, sowie die 3 Hefte Clavierstücke, kennen zu lernen, die leider noch immer nicht erschienen sind.
So reizend u. angenehm es ware, wenn, wie Sie sich auszudrücken belieben, Sie uns plötzlich überfallen würden, so zweifle ich doch daran, da schon die Saison weit vorgerückt ist, und nur noch ein ausserordentliches Gesellschaftsconcert in der Charwoche, u. einige Virtuosenconcerte zu erwarten sind. Meine bescheidene Meinung ist, dass Sie im Herbste sicher kommen sollen, wo Sie vielleicht mit den Philharmonikern od. Harbeek unterhandeln werden. Ich gehe heuer wieder nach Kreuth u. hoffe Sie entweder vor der Kur oder nachher in München zu besuchen, vielleicht gelingt es mir, Sie auf einige Zeit Ihren Geschäften zu entführen.
Bitte, schreiben Sie mir, wann Sie dort zu treffen sind, ich habe ein Zimmer in Kreuth für 1. Juli - 15. August bestellt u. muss ich gestehen, dass ich ein Hangen u. Bangen nach dem Sommer habe.

Unsere heurige Wintersaison war nur spärlich mit Novitäten besät. Die Philharmoniker brachten eine neue Suite v. Raff, Helmesberger in seinen Quartetten, eine Violinsonate von demselben - die Suite, die Sie wahrscheinlich kennen, gefällt mir bei Weitem besser, besonders das Adagietto ist schön, auch der Schluss des Finale ist sehr schwungvoll und schön gearbeitet. Doch ist das Ende der Sonate ein Chaos ohne Ruhe.
Brahms, der gegenwärtig hier weilt und Triumpfe feiert, übergab Helmesberger ein Sextelt zur Aufführung, dessen erster Satz besonders klar u. verständlich ist, dagegen gefielen die späteren Theile viel weniger, wo man unwillkürlich an Schumanns letzte Periode erinnert wird.
Frl. Magnus (Schülerin von Stockhausen) macht hier mit ihrer zwar kleinen aber sehr sympathischen Stimme in den Concerten Aufsehen, Sivari, der Schüler Paganini's, gibt Concerte, doch sieht man, dass die Zeit des grossen Virtuosenthums vorüber ist, das zündet nicht mehr, man kommt doch dahinter, dass etwas Charlataneriedabei ist, das Herz bleibt leer, und der wollüstige Ohrenkitzel vergeht bald. Nichtsdestoweniger ist er ein Phänomen, u. fordert vielleicht keinen Rivalen.
Zeliner gab, wie alljährlich, 2 historische Concerte, wo besonders das erste, über die Anfänge der Musik in Italien, Deutschland u. Frankreich, von höherm Interesse war. Wie war das noch anders! Meyerbeer, Wagner, Liszt u. dagegen diese schmucklose Form, wo das Wort einfach in Musik gesetzt wurde. -
In seinem 2. Conzerte spielte er zum Schlusse Mendelssohn's
Fmoll Orgelsonate, bei der ich lebhaft an Sie dachte, u. mir kleine Hoffnung machte, dieselbe von Ihnen selbst zu hören.

Wenn Ihnen Ihre Zeit wieder erlaubt, so denken Sie wieder einmal an Ihren
Ihnen getreu zugethanen Freund
Johann Mayer
Wien, 1/4 1867.

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