Franz Hauser beobachtet die Erfolge Rheinbergers mit wohlwollendem Interesse. Er schickt J. G. Rheinberger Georg Dörings Oper "Der Pirat" und eine Oper von Scanderberg.


Brief Franz Hauser [1] an J. G. Rheinberger


Freiburg i.B., 29. Nov.67
Verehrter Freund!

Sie sind ins Operncomponiren gerathen - und wenn ich recht unterrichtet bin, hat man an Ihrer Musik nichts, wohl aber am Buche allerley auszusetzen gehabt und darum Anstand genommen, die Oper aufs Theater zu bringen. Die Erfahrung hat sattsam bewiesen, dass die schönste Musik einer Oper nicht Lebensdauer sichert, wenn's das Buch nicht thut. Beweise dafür liefern z.B. sämtliche Opern Cherubini's, unter den neueren Schumann's Genoveva etc. Ich bin der Meinung dass es Ihnen in diesem Stück ungefähr so ergehen wird wie weiland dem Papageno: 'Seit ich gekostet diesen Wein...' Sie werden auch nicht ablassen, zumal es Ihnen im Blute steckt - nur wird es darauf ankommen dass der Reitz von der Dichtung ausgehe, dass Ihnen beym Lesen des Buches musikalisch, componirlich zu Sinne wird.
Moritz Hauptmann in Leipzig ist im Besitz von 2 Opernbüchern. Sie wissen wie wählerisch dieser in Beziehung auf Poesie ist, wenn sie ihn zur Composition reitzen soll. Diesen Zauber haben beyde Opernbücher auf ihn geübt, und er hat sie seiner Zeit gekauft, und sie den Dichtern theuer bezahlt. So viel Ich weiss hat er an beyden componirt, aber durch andere Arbeiten an der Fortsetzung gehindert, oder die Lust fürs Theater zu schreiben verlierend die Sachen im Pulte in Gedanken liegen lassen. Der unlängst verstorbene Täglichsbeck (+ 6.10.1867) muthete mir zu, ihm eine Oper aus Gozzi zusammen zu leimen, ob meinem Ungeschick ist es aber zu nichts gekommen; um aber seine Lust daran nicht zu verderben, habe ich Hauptmann dazu vermocht, mir seine beyden Bücher zu schicken und dem Täglichsbeck zu überlassen. Diese sind denn wirklich angekommen, und Täglichsbeck empfing sie an demselben Tage, als er sich auf dasjenige Bett legte, von welchem er nicht mehr aufgestanden.
Nun liegen diese beyden Bücher bei mir, und sollen nicht wieder ins Pult Hauptmanns wandern zum vermodern. - Es ist eines von Georg Döring, 'Der Pirat' betitelt, Oper in 3 Akten, das andere heisst Scanderberg, auch 3 aktig, von einem ausgezeichneten Dichter, dessen Namen ich nicht weiss, nur so viel weiss ich, dass sie Hauptmann mit sehr viel Geld an sich gebracht hat. Soviel Louisd'or er gegeben hat dafür, für soviel Thaler wird er sie jetzt abtreten, i.e. 25 per Stück, derjenige, der beyde nimmt erhält sie für 40. Wer sich aber aufs Handeln versteht, erhält sie wahrscheinlich von Hauptmann noch billiger (ich kenne Hauptmann in dieser Hinsicht gründlich). Jetzt kommt es darauf an, ob Sie besagte opuscula kennen lernen, i.e. lesen wollen oder nicht. Im ersten Falle schicke ich sie Ihnen, worauf Sie das weitere verfügen können entweder direkt oder wie Sie eben wollen. Dixi.
Ihrer Frau Gemahlin bitte ich die besten Grüsse von mir zu sagen, mir denn weiter zu sagen wie es Ihnen beiden geht, was Sie gemacht haben und machen - nebenbey wie glücklich Sie sich im neu etablierten Conservatorium fühlen, wie es sich auf den prachtvoll ausgestatteten Fauteuils sitzt, usw. usw. In diesem usw. liegt aber viel; mehr Stoff als ein dickleibiger Brief erschöpfen mag.
Ich füge also nichts weiter bey, als die Bitte mir zu glauben dass ich bin und bleibe

Ihr von Herzen ergebener
Franz Hauser.

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[1] Ehemaliger Direktor des Kgl. Bayerischen Konservatoriums für Musik.