Fanny schreibt ihrem Schwager David Rheinberger über Josef Rheinberger, über seinen Erfolg und über private Angelegenheiten sowie über Liechtenstein


Fanny schreibt an David Rheinberger:


München, 14. May 1869

Lieber Schwager David!

In Kurt's besonderem Auftrage, aber sehr übereinstimmend mit meiner Neigung, frage ich bei Dir an, wie es dem armen Peter geht. Maly's Nachrichten über ihn haben uns mit grösster Theilnahme erfüllt und wir hoffen nun von ganzem Herzen, dass die böse Krankheit nur mehr in der Erinnerung für ihn besteht. -

Ein gutes Soldatenmittel gegen Erkältung soll sein, wenn man sich Papier, etwa doppeltes Zeitungspapier auf den Leib legt. Es klingt komisch, allein ich habe mich schon oft dadurch erwärmt, besonders auf Reisen. - "Post festum!"

Von Kurt soll ich Euch herzliche Grüsse sagen. Es ist gut, dass er sich schon gleich, als vom Einstudiren seiner Oper die Rede war, vornahm, einen eisernen Harnisch anzuziehen, durch den die kommenden Widerwärtigkeiten nicht dringen, sonst wäre er schon etwas aus dem Gleichgewicht gekommen da sich die Proben so hinausdehnen. Erst war Frl. Stehle in Urlaub, nun reist Herr Vogl zum Musikfeste nach Düsseldorf. Kurt trägt all diese Zwischenspiele mit wahrhaft grosser Ruhe, wie bei ihm überhaupt die Selbstbeherrschung eine wahre Tugend ist. Er besitzt alle Vorzüge eines wahren und echten Künstlers und keine deren Kleinlichkeiten oder Excentritäten. Gestern war in einer Leipziger Zeitung eine Recension über sein Clavierduo, welche in Manchem fast eine Portraitähnlichkeit mit Kurt selbst hat.

"In dieser Composition ist tiefe Leidenschaft, deren äussere Form schön und fest und vom Verstande gezügelt ist."  Es wird die "classisch meisterliche Arbeit" ebenso gerühmt als "die Noblesse der Gedanken." - Kurt spielte vergangenen Dienstag dieses Duo mit Wüllner im Tonkünstlerkränzchen, und Riehl hatte eine so grosse Freude daran, dass er ihn bat, er möge ihm doch den Clavier-Auszug seiner Oper leihen, weil er nach der Aufführung derselben einen Artikel in die All/gemeine/ Zeitung schreiben möchte. Die Rheinberger'sche Musik habe ihm schon so viel Genuss gewährt, dass er ihr dieses Zeichen seiner Theilnahme schuldig sei. -

Heute wird von den Singknaben des Domchors im Studentenmayfest des Benediktinerstifts Kurt's Cantate für Kinder: Die Auferweckung Jairi Töchterlein gesungen. Ich werde mit einer Freundin hingehen. Kurt hat in der neuesten Zeit drei wunderschöne Balladen für Chor und Clavier geschrieben, welche bald im Drucke erscheinen und vor ein paar Wochen wurde im Theater seine Ouverture "Die Zähmung der Widerspänstigen" gespielt. - Das besste Widerlegen der damaligen "Wienerkritiken" bestand darin, dass Kurt unlängst vom Comité der Wiener Studentenschaft das Gesuch erhielt, die Wallensteinstimmen wieder nach Wien zu senden, weil sie in einer grossen "Schilleracademie" am Kärnthnerthortheater die Lagerscene aufführen wollten, was auch vor einigen Tagen geschah. -

Ich schreibe Euch immer über Kurt, weil Ihr doch dafür das meiste Interesse haben werdet. -

Meinem Vater geht es immer gleich. Die Lähmung scheint zu bleiben. Er hat manche gute Tage - manche schlechte. Gestern holte ich ihn in einem vorzüglichen Miethwagen ab. Unser Diener und Papa 's Wärter trugen ihn über die Treppe und dann fuhren wir durch den engl/ischen/ Garten zum Aumeister. Es war rührend mit welcher Wonne Papa die gute Luft einathmete und wie er die schöne Fahrt genoss. -

Mein Rheumatismus ist auch diessmal äusserst hartnäckig. Ich habe besonders Nachts oft sehr starke Schmerzen an den Handen. – Es ist möglich, dass ich wieder bald nach Wildbad [1] muss, was mir heuer wegen Papa doppelt schwer fallen wird. -

Sage doch der Maly, dass ich in den schönen Maiandachten der Ludwigskirche mit grosser Zärtlichkeit an sie denke. -

Sind die lithographirten Karten nach Wunsch ausgefallen?

Hoffentlich hat sich auch der gute Vater von seinem Husten erholt. Wenn es uns auch sehr leid that, dass Maly nicht kommen konnte, so sind wir jetzt doch froh, dass wir sie als "barmherzige Schwester" bei Peter wissen. -

Grüsse nur alle Geschwister recht herzlich und gib uns bald Nachricht über die guten Eltern und Peter. Wie herrlich muss es jetzt auf dem Trysnerberg [2] sein - welche Wonne wäre es, an den Pfingsttagen hinauf zu steigen. Kurt hat oft Heimweh. Die Luft muss jetzt bei Euch ganz wundervoll sein. -

Doch nun genug.

Herzlichen Gruss von Fanny.

Freundl/iche/ Empfehlung dem Herrn Hofcaplan [3].

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[1] Wildbad Kreuth.
[2] Triesenberg im Fürstentum Liechtenstein.
[3] Johann Franz Fetz (1809-1884), Hofkaplan in Vaduz 1849-1884. Lehrer Rh's.