Pressenotiz München darüber, dass R. Wagner versuche, die Differenzen bezüglich der Uraufführung von "Das Rheingold" zu schlichten


Pressenotiz München, 1. September 1869:


Dem Vernehmen nach ist Richard Wagner hier eingetroffen, um
die wegen Aufführung seiner Oper "Rheingold" entstandenen
Differenzen zu schlichten, die Aufführung zu ermöglichen und
dabei wahrscheinlich selbst zu dirigiren, da der jugendliche
Hofkapellmeister Richter, welcher zu Richard Wagner in sehr
nahen verwandschaftlichen Beziehungen stehen soll, "auf Ansuchen"
seine Entlassung erhalten hat, ein anderer Kapellmeister
aber kaum sich finden dürfte, welcher bei der Aufführung
dieses Werkes Wagners dirigiren möchte. Übrigens
herrscht unter Einheimischen und Fremden grosse Erbitterung
gegen Richter und die wenigen Anhänger Wagners, denn dass die
Weigerung Richters, zu dirigiren, nicht durch die mangelhafte
Inscenirung der Oper "Rheingold" veranlasst war, vielmehr
zur Entfernung des sehr tüchtigen und allgemein beliebten
Hoftheater-Intendanten Frhrn. v. Perfall ausgebeutet
werden wollte, stellt sich immer klarer heraus.

Musikdirector Hans Richter in München hat der Südd. Presse
folgende Darstellung seines Verhaltens bezüglich der Oper
"Rheingold" zur beliebigen Veröffentlichung zugestellt:

Ich habe allerdings der kgl. Hoftheater-Intendanz erklärt:
das Werk R. Wagners in der mangelhaften Inscenirung, wie
dieselbe bei der Hauptprobe darstellte, nicht dirigiren zu
können. Ich habe aber bei dieser Erklärung durchaus als
Bevollmächtigter und im ausdrücklichen Auftrag des Dichter-
Componisten gehandelt, obendrein unterstützt und sogar
veranlasst durch eine grosse Zahl der bedeutendsten einheimischen
und hier anwesenden fremden Musikcelebritäten. Alle diese
stimmten darin überein: ein Werk, von dem bereits so viel
geschrieben worden ist, dass die Erwartungen des Publikums
mit Recht aufs Höchste gesteigert sind, könne in solch
mangelhafter scenischer Ausführung vorerst öffentlich nicht
vorgeführt werden, ohne den Ruhm des Werks selbst und der
Münchener Hofbühne aufs Spiel zu setzen. Ich hielt also meine
Weigerung nicht bloss für gerechtfertigt, sondern auch,
wenn ich nicht eine ungeziemende Missachtung der Kunst sowohl
als des Publikums zeigen wollte, für meine Pflicht. Schliesslich
bemerke ich noch, dass ich selbst bereits am 21. August
aus ähnlichen Motiven, wie die oben angegebenen, ein
Entlassungsgesuch eingereicht habe. Hans Richter.

Wie schon gemeldet, wird R. Wagner von Luzern erwartet, um
Aufklärung zu geben, durch sein persönliches Dazwischentreten
den Conflict wo möglich zu vermitteln und die Aufführung
zu ermöglichen. Immerhin aber scheint das "Rheingold" unter
keinem günstigen Stern zu stehen.

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