Vincenz Lachner schreibt an Rheinberger bezüglich der Aufführungen in Mannheim


Vincenz Lachner schreibt an Rheinberger:


Mannheim, den 16.Okt.69

Geehrtester Herr!

Unsere Kindbetterin ist eben noch immer nicht aktiv und es kann die 2te Hâlfte des November heranrücken, bis wir an die 1ste Aufführung der 7 Galgenvögel gelangen. Ich studire einstweilen mit den übrigen Sängern, denn unsere Elsbeth ist so eminent musikalisch, dass sie ihre Parthie ohne Begleitung, auf dem Schoss liegend, auswendig lernt. Mittlerweile haben einige Mannheimer, die die Oper in München gehört, sich hier sehr günstig über die Musik (weniger über das aus der Handlung hervorgehende Interesse) ausgesprochen und dem Werke so ein gutes Präjudiz verschafft.

Ich werde Ihnen in der nächsten Zeit häufiger über den Fortgang der Proben berichten und schliesslich die Aufführung anzeigen.

Für heute veranlasst mich ein anderer Gegenstand zu einer Anfrage, beziehungsweise Bitte. Ich will Ihre Wallenstein-Sinfonie in einer unserer ersten musikalischen Akademien zur Aufführung bringen,d.h. vor den 7 Raben, um auch von dieser Seite den Boden für Sie zu bearbeiten. Nun ist aber das Institut unserer abonnirten Concerte ein Unternehmen des Orchesters, welche Körperschaft keinen Überfluss an dem nervus rerum hat, wie fast überall. Zudem fliesst 1/4 des Ertrags in eine Witwen- und Waisenkasse der Orchester-- Mitglieder, so dass die ohnehin nicht sehr ergiebige, unter den Mitgliedern vertheilte Einnahme schmal ausfällt. Mit einem Wort, es hält schwer, neue Werke von grösserem Umfange anzuschaffen und ich verwandle mich alljährlich nach dieser Richtung in einen terminirenden Kapuziner. In diesem Jahr trifft Sie die Ehre der Priorität. Also kurz heraus: Können Sie uns Stimmen und Partitur Ihrer Wallenstein-Sinfonie auf ein paar Wochen leihen. Kann es gleich geschehen? Im hoffentlich bejahenden Fall verwandeln Sie sich in einen Expeditor und erfreuen mich mit einem umgehend eintreffenden korpulenten Paquete, enthaltend 5 Prim., 4 Sek., 3 Bratschen,

3 Vcello und 2 od. 3 Kontrabassstimmen mit dem Gefolge

der aristokratischen Bläser etc.etc.

Was melden Sie,wenn Sie den Taktirstab selbst dazu schwängen? Leider muss ich der erfreulichen Prognose das beschämende Bekenntnis anhängen, dass wir arme Kirchenmäuse sind und eine solche Auszeichnung nicht honoriren können. Aber in fremdem Interesse wage ich zuweilen auch eine Frage, die ans Unverschämte grenzt.

Sie herzlich und freundschaftlichst grüssend Ihr ergebener

V. Lachner

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