J. G. Rheinberger schreibt bezüglich seiner Krankheit an seinen Bruder David und seiner gesamten Familie


Der Patient selbst schickt folgendes Lebenszeichen an seine besorgte Familie in Vaduz:


Lieber David!

Um Dir ein unumstössliches argumentum ad hominem zu liefern, dass ich noch am leben bin, schreibe ich Dir diese Zeilen; leider (darf ich sagen) habe ich mehr als genug Zeit dazu. Ich hätte schon weit früher geschrieben, aber schon nach wenigen Worten fühlte ich mich immer zu matt dazu. Da ich nun Gottlob immer bei gutem Appetitt bin und auf ärztlichen Befehl viel essen muss, so geht es mir leidlich; nur schlafen kann ich noch immer nicht, trotz Morphium-Einspritzung und Detto-Pulver. Heute bekomme ich ein neuerfundenes Schlafmittel "Chloril" - vielleicht hilft dieses. Mein eigentlicher Arzt (Dr. Lotzbeck) ist leider auf eine Ferien-Reise

nach Spanien gegangen und mein jetziger Doktor (Posselt) sagte heute, ich solle noch "einige Wochen" Geduld haben, es gehe die Krankheit ihren guten, wenn auch langsamen Gang. Die Eiterung der Wunden geht noch immer fort und bin ich desswegen auch noch nicht schmerzfrei; da ich aber in den 8 Wochen meines Eingesperrtseins Zeit genug hatte, meine Beobachtungen zu machen, so muss ich doch sagen, dass es besser geht.

Ich gewähre einen reizenden Anblick, besonders wenn ich die Kopfbinde wegnehme; da ist ein Stück vom Bart ausgeschnitten und in der Mitte dieses Fleckes eine Wunde; dazu seitwarts faustdick geschwollen. Da möcht einem das photographirenlassen vergehen. Hoffentlich bin ich aber wieder "schön" bis wir uns wiedersehen.

An die lieben Eltern, Tony, Maly, Peter und seiner Familie die herzlichsten Grüsse von Fanny und mir,

Deinem Dich liebenden Bruder

Kurt mit den geschwollenen Backen.

München d. 23./4. 70.

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