Franziska Rheinberger versucht Max Stahl das Verhalten von Jos. Rheinberger zu erklären


Brief von Franziska Rheinberger an Max Stahl, dem Brief ihres Mannes beigefügt: 


/2.2.1872/

Geehrter Herr!

 Mein Mann theilte mir Ihren Brief mit und da ich an seiner Stimme eine grosse Erregung kenne, so erlaube ich mir, Ihnen die Bitte zu überschicken, dass Sie der grossen Anstrengung, die er in den letzten Monaten trotz seiner angegriffenen Gesundheit durchgefochten, es zuschreiben, wenn etwa sein Brief gereizt sein sollte. Es handelt sich um Änderung des Namens oder Titels. Wie wenig ist das! Und doch war alles wohlüberlegt, sonst wäre es bei Ihrem ersten Titel 'Schön Elsbeth' geblieben. 'Thürmer's Töchterlein' wurde von Autoritäten wie Riehl, Holstein und anderen gescheidten Menschen ungeeignet gefunden. Für den jetzigen Titel stimmten Sie selbst. Je mehr man übrigens fragt, je confuser wird man, und wenn Sie den Leuten, die Ihnen nach erstem Eindrucke ohne jahrelanges Denken Rathschläge geben, ein entschiedenes: 'die Sache ist abgemacht' entgegensetzten, so kämen Sie und Curt besser dabei weg, denn die Geschichte jenes Vaters [1] & Sohnes, die nur einen Esel hatten etc., bleibt ewig jung. -

So hoffe ich, dass sich die Wogen wieder legen werden, und bedaure nur, dass mein Mann, der sich so sehr auf den heutigen Arbeitstag gefreut hatte, nun ausser aller Stimmung ist, die Feder anzurühren und dadurch eine bedeutende Verzögerung entsteht.

Hoffentlich überwindet er den Überdruss, den er jetzt gegen das ganze Werk hat; es wäre doch traurig, wenn nach solchen Anstrengungen ihm die Freude, zu der er wahrhaft berechtigt ist, verleidet würde. Da Sie die Natur meines Mannes nicht kannten, so musste ich Ihnen diese Mittheilung machen, bin aber überzeugt, dass diess der letzte Sturm ist.

Freundlich grüsst

Fanny Rheinberger."

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[1] Vgl. Johann Peter Hebel "Seltsamer Spazierritt" in: "Schatzkästlein des rheinischen Hausfreunds".