Hedwig von Holstein berichtet vom Verhältnis zwischen dem Kapellmeister Hermann Levi zu dem bisherigen 1. Hofkapellmeister Franz Wüllner.


Brief von Hedwig von Holstein:


[August 1872]

Den letzten Abend in M/ünchen/ war es ganz gemüthlich bei Wüllners; Levi wunderte sich in seiner Naivität, dass er nicht eingeladen sei. Capellmeister Müller aus Frankfurt a/M. war da, der die berühmten Concerte dirigiert; er erschien mir sehr süss & sehr unbedeutend. Wüllner brachte uns nach Hause, ganz wundersamer Weise immer neben mir her, und sprach nochmals die ganze Geschichte, die endlose, unerquickliche, mit mir durch, fragte mich, ob ich ( !!!) ihm rathen könne, unter diesen Umständen/ in München/ zu bleiben & ob nicht Levi zu beeinflussen sei, das Amt mit ihm gleichmässig zu theilen, so wie in Dresden Rietz & Krebs ganz gleich gestellt seien. Ich konnte ihm nur sagen, dass mir Levis Charakter sehr fest zu sein scheine, dass er gewiss aus Herzensgüte & als eine Gefälligkeit die oder jene Oper abtreten, seine ungebundene Stellung & seinen Contrakt aber gewiss nicht zu seinem Nachtheil ändern lassen werde.

"Wenn Levi nicht selbst nachgibt, dann muss ich wenigstens von Theater abgehen, glauben Sie nicht auch?" sagte W/üllner/ & ich bejahte es natürlich. W/üllner/ hat vielleicht geglaubt, dass ich Levi noch bearbeiten könnte, glücklicherweise reisten wir ja aber am andern Morgen sehr früh ab, sodass Sahr diesen vielverheissenden Auftrag erhielt. Der sass schon den ganzen Abend stillschweigend da, gedrückt von der Last seiner morgenden Aufgabe.

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