Franz von Holstein erzählt Fanny Rheinberger von der "Rheinberger-Woche"


Brief von Franz von Holstein an Fanny Rheinberger:

 

Leipzig, 10.4.1876

Hochverehrte Freundin!

Recht lange hat es gewährt, ehe ich dazu kam, Ihnen für Ihre letzte freundliche Zuschrift zu danken und für alles Liebe und Gute und Schmerzliche und Freudige, was darin stand, und an dem Sie durch Ihre Schilderung die fernen Freunde theilnehmen lassen. Ich habe Ihnen dissmal nur Freudiges zu melden, wir haben jetzt eine wahre Rheinberger-Woche. Vorigen Mittwoch spielten die Florentiner Ihres Mannes prächtiges C-moll-Quartett, das von Erfindung und Frische strotzt. Gestern am Palmsonntag führten die Thomaner Nachmittags in ihrem Concert das Requiem [1] auf, das mir vom Lesen und Durchspielen längst lieb und werth war. Dass das Quartett grossen Erfolg hatte, brauche ich kaum zu sagen. Nach dem Requiem fragten die Herrn Musiker sich untereinander, wie es komme, dass das Gewandhaus, dass Riedel ein solches Werk nicht längst aufgeführt habe. Nächsten Winter müsse es das Gewandhaus bringen u.s.w. u.s.w. Ich freute mich und triumphirte im Stillen - - alles Reden vorher war im Winde verhallt. Diese Herren müssen, wenn auch nicht sehen, doch hören, um zu glauben. Nach dem Thomaner-Conzert machten wir es noch möglich in die Nicolai-Kirche in das Riedel-Conzert zu gehen, um Rheinbergers Orgel-Sonate zu hören, die Preitz ein Schüler von Papperitz und Richter - sehr schön spielte. Nur die gar zu zarte Registrirung des Andante wollte mir nicht zusagen und war wohl kaum im Sinne des Komponisten. Der junge, äusserst begabte Mann schwelgte wohl zu sehr in den Contrasten, welche die herrliche Orgel mit ihren mannigfachen Registern ihm bot.

Heute Abend endlich führt die Sing-Akademie die Toggenburg-Ballade [2] auf. Es ist jetzt hier - wie auch sonst wo - kaum ein Gesangs- oder Instrumental-Concert, wo der Name Ihres Gatten nicht im Programm zu finden wäre, und eine solche Popularität muss ihn doch sehr erfreuen.

Aus Ihrem Brief ersah ich, dass Manches Neue im Entstehen oder schon fertig ist. Glück auf!, - /.../ Mit den schönsten Grüssen an Ihren Mann und Ihre verehrte Frau Mama

Ihr aufrichtigst ergebener

Franz v. Holstein.

 

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[1] Requiem in Es-dur für vierstimmigen Chor, op. 84.
[2] "Toggenburg". Ein Romanzenzyklus von F.v.Hoffnass, für Soli, Chor und Pianofortebegleitung, op. 76.