Wilhelm Treiber berichtet J. G. Rheinberger, dass er wiederum zum Konzertdirigenten der "Euterpe" in Leipzig gewählt worden ist


Brief von Kapellmeister Wilhelm Treiber an Josef Rheinberger:

 

Graz, 11.7.1876

Sehr geehrter Herr Professor,

Einen hochachtungsvollen Gruss. Die nächsten Leipziger musik. Fachblätter dürften Ihnen die Nachricht bringen, dass ich abermals zum Dirigenten der dortigen Euterpe gewählt wurde - nachdem ich bereits im vorigen Winter bedauernd ablehnen musste - diesmal jedoch acceptirte. So werde ich nun ab Ende September in meinem lieben Leipzig wohnen, für das ich seit Jahren eine nachgerade unerklärliche Sympathie empfinde. Hoffentlich habe ich es nicht zu bereuen. Bei dem Umstande, dass ich nur jede 2te Woche ein Conzert habe, bleibt mir viel Zeit, um auswärts zu spielen.

Vielleicht gelingt es Ihrem mächtigen Einfluss bei Levi und Wüllner, einen der Herren zu bestimmen, dass ich im Herbst auch in München zu spielen aufgefordert werde - ich glaube die erste Saisonhälfte hat Wüllner. Würde ich aber im Stande sein, schon bewusstes Concert in as spielen zu können? [1] Bis zur Stunde rechnete ich zuversichtlich darauf und dachte garnicht daran, eine andere Novität für den nächsten Winterfeldzug in Angriff zu nehmen. Wie lebhaft würde ich bedauern, wenn Sie bisher nicht Gelegenheit gehabt oder genommen haben würden, an die Ausführung dieses Projectes zu denken.

Freilich müssten Sie im Stande sein, das Manuscript der Clavierstimme, wenn auch theilweise noch unausgefeilt, mir baldigst einsenden zu können.

Asser ein Orchesterwerk haben Sie gewiss im Pulte liegen, weiches Sie mir zur ersten Aufführung überlassen wollen - sei es Ouvertüre oder Sinfonie - wollen Sie selbst nach Leipzig kommen, um ev. zu dirigiren, so seien Sie mit offenen Armen empfangen. Das Orchester der Euterpe hat sich überraschend herausgemacht und wird nur noch immer vom Gewandhaus gedrückt. Wäre dies nicht der Fall, würde es die Concurrenz mit den meisten Stadtorchestern bestehen können. Dennoch können Sie auf eine wohlvorbereitete, aufmerksame Ausführung Ihres Werkes rechnen. Ist Ihnen bekannt geworden, dass auf der diesjährigen Tonkünstlerversammlung in Altenburg ich mit grossem Erfolg mit Volkmanns Konzertstück debutirte? Wie gut wäre es gewesen, wenn wir mit as hätten erscheinen können. So blieben Sie bedauerlicherweise unvertreten.

Die "Ferienzeit" führt Sie wohl auch dieses Jahr nicht durch die grüne - heuer sehr nasse - Steiermark? Sehen Sie sich doch mal in Ihrer gewärtigen Ausstellung den Flügel Ehrbar's aus Wien mit dessen Neuerung Prolongement an. Auf mich machte selber einen günstigen Eindruck, wenngleich nicht zu verhehlen, dass noch manches daran verbesserungsfähig. Nun ich Ihnen sattsam vorgeschwätzt, muss ich schliessen, aber nicht ohne den Wunsch auszusprechen, dass Sie bald mit einigen Zeilen erfreuen

Ihren ergebenen

Wilhelm Treiber.

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[1] Treiber spielte Rheinbergers Klavierkonzert in As-dur, op. 94, am 6. November 1876 im "Euterpe"-Konzert in Leipzig.