Hedwig von Holstein schreibt Franziska Rheinberger einen Brief über den schlechten Gesundheitszustand von Franz von Holstein


10. April 1878

Leid haben wir zu tragen - die Krankheit ist bei uns nicht allein eingekehrt, sie scheint ständiges Quartier bei uns machen zu wollen. Mein herzlieber Mann hat, seitdem ich Euch schrieb, nicht einen, sondern vielleicht fünf Rückfälle gehabt, sodass man es eigentlich garnicht so nennen kann, es ist ein unaufhörliches auf- & abwärts gehen, und man weiss nicht, welches den Sieg davontragen wird! - Der Arzt hat Gott sei Dank immer gute Zuversicht, sprach im Winter von einer Milchkur im ersten Frühling hier auf dem Lande, dann von einer Badereise vor Oberstorf - von all' dem ist nicht mehr die Rede, denn Franz kann nicht einmal mehr in den Garten, wo er Anfang März fünf Mal war, wenn auch die Treppen von Hausmann und Gärtner getragen. Liebste Fanny, was für Gefühle und Gedanken ziehen oft durch meine Seele. Dass ich meine Gebete stets mit der Bitte des Herrn schliesse: nicht mein, sondern Dein Wille geschehe, kannst Du von mir mit Recht erwarten. Doch ist es etwas andres, im Gebet sich Gottes Willen unterwerfen, als wie mitten im Leben, im Moment der Drangsale, dieselbe Ergebenheit zu bewahren. Ich weine mich oft in den Schlaf, habe auch schon ganze Nächte durchgeweint. -

Franz selbst ist wechselvoll in seiner Anschauung über den Zustand. Oft spricht er mit grosser Unbefangenheit von Dingen, die für ihn in der Zukunft liegen, und die er dann zu thun, zu geniessen gedenkt. Zuweilen ist er hoffnungslos für diese Welt. Welch ein Trost es mir ist, dass er auf eine andre hofft und an sie glaubt, dass er willig und gern täglich mit mir zu Gott betet, Du wirst das ermessen können!

Einige Wochen lang hat er mit Leidenschaft componirt. Die Gedanken, d.h. die musikalische Erfindung, quält ihn Nacht und Tag, bis der Arzt ihm erlaubt, sie liegend aufzuschreiben, um ihm Ruhe zu verschaffen. Er muss noch immer liegen, weil das Sitzen ihm Schmerzen macht. Sonst ist er mit den Freunden heiter und angeregt, sieht aber durchsichtig und zerbrechlich aus. Unsre Näherin sagte: Der Herr ist wie ein gekittetes Gefäss, brauchen kann man's nicht mehr, nur hinstellen.

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